Stadtdörfer: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Kiel-Wiki
Zeile 86: Zeile 86:
Zugleich allerdings nahm die Zahl der Bedürftigen zu. Die Missstände brachten die Bürgerschaft auf und sie forderten Kontrolle der Finanzverwaltung, Abschaffung der Ratsprivilegien und Beteiligung an der Stadtregierung.<ref>[https://archive.org/details/bub_gb_I9UOAAAAYAAJ/page/n56 Volbehr ebd, S. 5 ff.];  [https://www.stadtkloster.de/de/stiftung/geschichte.html Geschichte der Stiftung Kieler Stadtkloster], abgerufen am 3. Juli 2019</ref>
Zugleich allerdings nahm die Zahl der Bedürftigen zu. Die Missstände brachten die Bürgerschaft auf und sie forderten Kontrolle der Finanzverwaltung, Abschaffung der Ratsprivilegien und Beteiligung an der Stadtregierung.<ref>[https://archive.org/details/bub_gb_I9UOAAAAYAAJ/page/n56 Volbehr ebd, S. 5 ff.];  [https://www.stadtkloster.de/de/stiftung/geschichte.html Geschichte der Stiftung Kieler Stadtkloster], abgerufen am 3. Juli 2019</ref>


Diese Beschwerden und Forderungen nutzte der Herzog Adolf I., seine Landesherrschaft politisch und ökonomisch zu festigen. Er wurde als vielseitiger, unternehmerischer Fürst beschrieben, der u. a. das [[Kieler Schloss|Schloss Kiel]] im Renaissancestil umgestalten ließ, aber er klagte oft über die Armut seines Herzogtums.<ref>Christian Degn, Schleswig-Holstein ‘‘eine Landesgeschichte‘‘,  Wachholtz Verlag Neumünster 2. Auflage 1995. S. 116</ref>. So muss man davon ausgehen, dass er sich selbst in Besitz der Stadtdörfer zu setzen wollte gegenüber der öffentlichen Gewalt eines Stadt.<ref>Das Folgende bezieht sich vorrangig auf [https://archive.org/details/bub_gb_I9UOAAAAYAAJ/page/n56 Volbehr ebd, S. 5 ff.]</ref><br>
Diese Beschwerden und Forderungen nutzte der Herzog Adolf I., seine Landesherrschaft politisch und ökonomisch zu festigen. Er wurde als vielseitiger, unternehmerischer Fürst beschrieben, der u. a. das [[Kieler Schloss|Schloss Kiel]] im Renaissancestil umgestalten ließ, aber er klagte oft über die Armut seines Herzogtums.<ref>Christian Degn, Schleswig-Holstein ‘‘eine Landesgeschichte‘‘,  Wachholtz Verlag Neumünster 2. Auflage 1995. S. 116</ref>. So muss man davon ausgehen, dass er sich selbst in Besitz der Stadtdörfer zu setzen wollte gegenüber der öffentlichen Gewalt einer Stadt.<ref>Das Folgende bezieht sich vorrangig auf [https://archive.org/details/bub_gb_I9UOAAAAYAAJ/page/n56 Volbehr ebd, S. 5 ff.]</ref><br>


Seit 1543 forderte der Landesherr eine Rechnungslegung von dem Kieler Rat. Er warf dem Rat vor,  mit den geistlichen Lehen und anderen Güter ungebührlich umgegangen und Kirchen, Schulen, Stadtmauern und Feste verfallen zu haben. Die ‘‘policey‘‘, die ‘‘gute Ordnung‘‘, werde nicht mehr gehalten.<br>
Seit 1543 forderte der Landesherr eine Rechnungslegung von dem Kieler Rat. Er warf dem Rat vor,  mit den geistlichen Lehen und anderen Güter ungebührlich umgegangen und Kirchen, Schulen, Stadtmauern und Feste verfallen zu haben. Die ‘‘policey‘‘, die ‘‘gute Ordnung‘‘, werde nicht mehr gehalten.<br>

Version vom 8. Juli 2019, 17:59 Uhr

Bauer mit Pferdefuhrwagen auf einer Landstraße in Schleswig-Holstein um 1927

Die Stadtdörfer[1] waren im Mittelalter und in der Neuzeit Dörfer[2], die der gesamten Bürgerschaft gehören und ihre Beiträge zur Stadtkasse entrichteten. Als eigentliche Stadtdörfer waren sie Bestandteil der Kämmereieinkünfte.
Ebenfalls als Stadtdörfer im weiten Sinne bezeichnet wurden Dörfer, die Pfarrkirchen, Klöster und anderen Stiften, Hospitäler und Armenhäusern, Schulen und Universitäten gehörten und ihren Sitz in einer Stadt hatten.

Ein Stadtdorf besaß vordem ein Landesherr oder eine Adelsfamilie und gehörte zu einem Lehn oder - im Zuge der Entwicklung der Grund- zur Gutsherrschaft - zu einem adligen Gut.[3], das dann gestiftet oder verkauft wurden. Die Motivation war zugleich religiös (Sicherung des eigenen Seelenheils) und wirtschaftlich oder politisch.Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „name“ ist ungültig oder zu lang.

Heute wird der Begriff Stadtdorf selten verwendet für ein lokal bedeutendes Dorf oder mit mehr als 2000 Einwohner (Großdorf).[4]

Manche Stadtteile und Stadtwohngebiete werden ebenfalls als „Stadtdorf“ bezeichnet: sei es durch die Entwicklungsgeschichte der Ortsteile; sei es, dass sie ihren dörflichen und (vermeintlich) idyllischen Charakter bewahren oder durch bauliche Stadtentwicklung (wieder-) herzustellen. Man versucht, die "dörflichen Merkmale" - wie naturnahes Wohnen, wohnortnahe Nahversorgungs- und Dienstleistungsangebote, Einrichtungen der sozialen, bildungs- und freizeitbezogenen Infrastruktur, Nachbarschaftsbeziehungen - mit den schnellen Verbindungen mit der Innenstadt und mit den Arbeitsorten zu verknüpfen. So z. B. „Meimersdorf und Moorsee Wir planen das StadtDorf“ in Kiel.[5].

Ehemalige Kieler Stadtdörfer

Die Kieler Stadtdörfer waren ab Ende des 13. Jahrhundert Bauerndörfer oder Teile ihrer Ländereien , die durch Kauf und Schenkung vorrangig in das Treuhandeigentum der Stadt Kiel kamen und deren Erträge zur Finanzierung der Armenpflege dienten.

Von den bekannten Stadtdörfer (mit dem Hof Hammer, Demühlen und Teile von Brunswik) sind zehn davon heute Kieler Stadtteile.

Laut Friedrich Volbehr sind folgenden Stadtdörfer in "Verzeichniß der Namen Collegii E. E. Rath auch der deputirten Bürgerschaft Collegii XVIr und XXXIIr zum Kiel" aufgeführt[6]:

  • Kopperpael (Kopperpahl im heutigen Kronshagen) scheint das erste Stadtdorf zu sein. Der Rat der Stadt Kiel kaufte es im Jahr 1297 für das Heiligengeisthospital „mit Allmosen frommer Leute“ von den Gebrüdern Gerhard und Lüder von Bremen.[7]
  • Welgendorp (Wellendorf, heute Wellingdorf) erwarb 1315 der Stadtrat mit der Hölzungen ‘Brook‘ für das Heiligengeisthospital vom dem Burgmann Conrad von Bremen.[8], vermutlich ein Burglehn als Entlohnung für seinen Dienst in der Kieler Burg.[9]
  • In dem selben Jahr und im Jahr 1334 kaufte der Kieler Rat Teile des Dorfes Kronshagen für das Heiligengeisthospital.
  • Das Dorf Wiegk (Wyk, heute Wik) schenkte im Jahr 1317 Graf Johann II. der Einäugige (* 1253; † 1321) dem Heiligengeisthospital „zur Erlösung seiner Seelen“.[10]
  • 1338 wurde dem Ritter Johann von Wahlthrop seine Hälfte des Burglehns Moersehe (heute Moorsee) von der Stadt abgekauft.[11][Anm. 1]
  • Ebenfalls ein Burglehn war das Dorf Haßsehe (Hertese, Hartsehm, heute Hassee): Teile davon schenkte Graf Johann III der Milde (* um 1297; † 27. September 1359) dem Heiligengeisthospital „zur Erlösung seine Seelen“. Der Ritter Timm Emken überließ einen anderen Teil 1348 dem Hospital.[12]
  • Das Burglehn Dorf Schönkerke (Sconekerken, heute Schönkirchen) wurde 1356 von Iven Reventlow (* um 1320, † um 1391) für das Heiligengeisthospital verkaufte.[13]
  • Von dem Dorf Schwarzenbeke (das spätere Schwartenbek im heutigen Suchsdorf) verkaufte Wulf von Hagen 1352 sein Teil an dem Kieler Magistrat zur Stiftung einer Vikarie der Kapelle St. Gertrud. 1358 vermachte der Dorfbürgermeister Otto Enendorp einen Hof des Dorfes „den Armen“ in Kiel.[14]
  • Gremerstorff (Gremersdorf) im Land Oldenburg (Ostholstein) verkaufte die sechs Brüder von Siggen 1377 an das Heiligengeist- und das St. Jürgenhospital. Als entfernteste Stadtdorf liegt es nicht in der Umgebung Kiels.
  • Der Erbpachthof Hof Hammer (Hamere), wahrscheinlich ursprünglich ein Dorf, war im 14. Jahrhundert an die Kieler Stiftungen gekommen. In einer Urkunde vom Jahre 1469 bestätigte der Herzog von Holstein, der dänische König und Christian I., dem Heiligengeisthospital den Besitz des Hofes.[15]
  • Diricksstorpff (Dietrichsdorf) und Mönnekeberge (Mönkeberg) hatte der Rat der Stadt Kiel für die Heiligengeist- und St. Jürgen-Stiftungen von den Gebrüdern Wahlstorf und Hennecke Rantzau im Jahr 1420 gekauft, vermutlich unter Vorbehalt des Rückkaufs.
    Claus Rantzau forderte die Rückgabe, die aber de Stadt Kiel verweigerte. Bis 1494 blieben diese Güter im Besitz der Stiftungen. Rantzau erwirkte 1465 die Genehmigung des Königes Christian I. , die Streitsache vor dem Landtag zu bringen, der 1494 die beiden Dörfer gegen Zahlung von 800 Mark Rantzau zusprach.[16]
  • Boecksehe (Buckze, heute Boksee) und Barkow (Borkowe, Deutsch Boksee, heute Klein-Barkau) verkaufte der Knappe Eggert Muggel 1447 an das Heiligengeisthospital. Ein Teil des jetzigen Kirchbarkau wurde 1459 von dem Magistrat des Stadt Kiel an die Vorsteher der Kirche zu Barkau verkauft. Der mit besonderen Privilegien versehenen Hof Boksee ist um 1667 in Beziehung zur Stadt Kiel gekommen, die jedoch wieder gelöst wurden.[17]
  • Die letzten Erwerbungen für das Heiligengeisthospital waren um 1452 durch den Ankauf von Rußsehe (Russee) mit Devemöhlen (Demühlen) und Oddendorff (Ottendorf), die im Besitz von Klaus und Kai Rantzau waren.[18]
  • Teile von Gahrden (Dorfgarten) mit dem Dorf Wulwesbok (Fürstlich Gaarden) verkaufte 1462 Marquard Wulf an das St. Jürgenkloster (das Kieler Anteil von Gaarden, heute Gaarden-Süd).[19]

In seiner "Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek" (1841) erwähnt Johann von Schröder (* 1793, † 1862) folgende Dörfer und Teile ihrer Ländereien:

  • Brunswik war nach von Schröder vormals ein „adeliges Dorf“. Im Jahre 1350 schenkte der Ritter Nicolaus Split von seinen Gütern den Kielern einen Platz vor dem Dänisches Tor für einem Kirchhof und die Stadt Kiel stiftete dort eine Kapelle.[20] Es mag sein, dass es sich um einen Teil eines Burglehns des Ritters in der Nähe des Bauerndorfes Brunswik handelte.
    Im Jahre 1444 überließ Otto Wulfsen von Pogwisch (*1382, † 1448), der nach von Schröder einen Teil des Dorfes besaß, von seinen drei Höfen dem Kieler Rat "... anderthalb, für eine gewisse Geldsumme, zum Besten der Kieler Armen.[21]
  • Im Jahr 1356 verkaufte Iven Reventlow die Wassermühle, gelegen im Katendorf und heutigen Neumühlen an das Heiligengeisthospital.
  • Das Dorf Sucksdorf (auch Suxtorp geschrieben) verkaufte die Familie Von der Wisch im Jahr 1366 an die Kieler Ratherren Detlev Gripp und Claus Hargen.[22]. Das Dorf wurde in den von Volbehr erwähnten Verzeichniß der Namen Collegii E. E. Rath auch der deputirten Bürgerschaft Collegii XVIr und XXXIIr zum Kiel nicht aufgeführt, somit war Suchsdorf - zumindest nicht anfangs - kein im weiteren Sinne Stadtdorf eines der Kieler Hospitäler gewesen. Man weiß auch nicht, ob es ein eigentliches Stadtdorf für die gesamte Kieler Bürgerschaft war oder nur Eigentum der zwei Stadtherren vor der Erwähnung in dem Permutationkontrakt (s.u.).

Nach der Gründung der Kieler Universität stammten die Finanzierungsmittel aus den Erträgen der Dörfer des Amtes Bordesholm, die man auch im weiten Sinne Stadtdörfer und Universitätsdörfer nannten.[23], u. a. die im Permutationsvertrag (s. u.) genannten Dörfer Rumor (heute Rumohr), Milekendorff (heute (Mielkendorf), Molfsee, Foordt (Voorde), Lütjen und Großen Flindbeck (Vlintbeke, heute Flintbek) und Byßee (heute Bissee),[24]

Die Rolle der Stadtdörfer in der Kieler Armenpflege

Die Armenpflege [25] wurde im Mittelalter hauptsächlich von der Kirche organisiert und durchgeführt. Trägerschaft dieser Wohlfahrtspflege waren im Kiel insbesondere die Hospitäler[26] des Kieler Klosters (Heiligengeisthospital) und der St. Jürgen-Kirche, aber auch das St. Annen und Erasmi und Neugasthaus.[27][Anm. 2]

Zu den Armen und Bedürftigen zählten im Mittelalter nicht nur Menschen, dessen Lebensumständen im materiellen Sinn existenziell bedrohlich und dessen (nach heutigen Definition) Einkommen unterdurchschnittlich waren (der größte Bevölkerungsanteil). Armut [28] bezog sich auch auf Bedürftige unabhängig von ihren Einkommen wie Witwen, Waisen, Kranken und alte Menschen, die Anspruch auf die Armenpflege und -versorgung hatten. Die Kranken- und Altenpflege war anfangs ein Teil der Armenpflege.

Im Spätmittelalter verlagerte sich die Finanzierung dieser milden Stiftungen der Armenpflege der Kirchen und Klöster auf die Städte und Gemeinden: die Verwaltung der Stadtdörfer im weiteren Sinne lag in den „treuen Händen“ des Rates der Stadt Kiel.
Die mit der Reformation einhergehende Säkularisation der Klöster hatte zur Folge, dass die bisher von den Ordensgemeinschaften geleisteten karitativen Arbeiten verlagert wurden. Aus den mittelalterlichen Hospitäler entwickelten sich in der Frühen Neuzeit einerseits die eigentliche Armenhäuser, die auch in Kiel mit Waisenhaus, Gefängnis, Krankenhaus und Arbeitshaus gekoppelt waren[29]. Zum anderen entstanden kirchliche und weltliche Altenheime, die als „Stift“ bezeichnet wurden und werden, in Kiel z. B. der Kaiser Wilhelm I. Stift.

Die Einkünfte und Nutzungen der Stadtdörfer, ihre Erträge aus den Holzungen (Bau-und Brennholz, Schweinemast), aus den Fischereien mit Seen und Teiche, aus dem Gärten und Ländereien (u.a. Getreide Obst und Gemüse, Verpachtung von Wiesen und Weiden, Torfgewinnung aus Mooren) sollten für die Pfarrkirchen, die Stiften und Armenhäuser, und für die Bedürftigen verwendet werden.
. Darüber hinaus wurden die Erträge der Stadtdörfer für die Besoldung von Kirchen-, Schul- und [Ratsdiener|Stadtdiener]] wie bspw. der Armenvogt verwendet.
Zusätzlich erhielten bzw. nahmen Bürgermeister, Ratsherren und andere Bürger Zulagen in Geld und Sachen für ihre Verwaltungstätigkeiten, z. B. als Konsul, Inspektor und Vorsteher eines Hospitals.[30]

Für die ehemaligen Stadtdörfer änderten sich die Besitzverhältnisse durch die Pachtverträge und den Permutatíonskontrakt (1667): aus diesem Vertrag zahlt bis heute das Land Schleswig-Holstein als Rechtsnachfolger jährlich 1000,23 € an das Kieler Stadtkloster.[31]

Entwicklung der Kieler Stadtdörfer seit 1543

J. G. Krünitz (* 1728, † 1796) schrieb in seiner „Ökonomisch-technologische Enzyklopädie“, dass es Fälle gibt, „…, wo die Magisträte Dörfer der piorum corporum ehedem an ihre Renteyen zu bringen gewußt haben; oder sie gehören ... ursprünglich zu den Stadt= und Raths=Kämmereyen.[32]

Ein solcher Fall war die Verwaltung der Hospitäler mit ihren Stadtdörfer, die willkürlich und vielfach in eigenem Interesse des Kieler Rates geführt wurden und die zu einem 20 Jahre lang anhaltenden Streit zwischen der Stadt Kiel und dem Herzog Adolf I. (* 1526, † 1586) und letztendlich die Abtretung der Stadtdörfer führte.[33]

Der Machtverlust der Städte wie Kiel begann seit Ende des 15. Jahrhunderts mit der stagnierenden Wirtschaft, der langsame Niedergang der Hanse und die Erstarkung der landesherrlichen Territorialgewalten.[34]
Im Hohen Mittelalter war der Rat der Stadt Kiel als Vertretung der Bürgerschaft die einzige Obrigkeit für die Bürgerschaft:
Kiel hatte durch ein Privileg des Grafen Johann I. (* um 1229, † 20. April 1263) lübisches Recht erhalten (1242) und das Kieler Rat durch ein Privileg des Grafen Johann III. der Milde u. a. das Recht, einen Vogt als städtischer Beamte zu ernennen statt eines herrschaftlichen Burgvogtes (1317). Damit war die Stadt aus den gräflichen, später herzoglichen Gebiet herausgelöst und der Einfluss des Landesherren begann zu sinken. Die Landesherrschaft hatte niemanden mehr, der in ihrem Namen in der Stadt Kiel handelte. Der Rat übte alle öffentlichen Rechte in der Stadt mit der nahen Umgebung (das Stadtfeld und die Stadtdörfer) aus. Als geschlossene politische Einheit berührte sie sich nur durch den Kieler Rat mit der öffentlichen Gewalt des Grafen. In der mittelalterlichen Stadt Kiel war die Wahl von Ratsherren durch die freien Bürger noch unbekannt. Der Rat war der einzige, der den Bürgern Befehle erteilen konnte, die Ratsherren waren die Herren der Stadt und wurden als domini bezeichnet. Sie bezogen zwar kein Gehalt, doch waren ihnen viele nutzbare Rechte vorbehalten.[35]
Aber die Einnahmen sanken, u. a. durch den endgültigen Ausschluss aus der Liste der Hansestädte im Jahr 1518. Die Kieler Rat fand ein Ersatz in dem Einkünften der Stifte mit ihren Stadtdörfer. Die Ratsherren nutzen sie für die Kieler Stadtkämmerei und für ihre eigene Interessen. Zugleich allerdings nahm die Zahl der Bedürftigen zu. Die Missstände brachten die Bürgerschaft auf und sie forderten Kontrolle der Finanzverwaltung, Abschaffung der Ratsprivilegien und Beteiligung an der Stadtregierung.[36]

Diese Beschwerden und Forderungen nutzte der Herzog Adolf I., seine Landesherrschaft politisch und ökonomisch zu festigen. Er wurde als vielseitiger, unternehmerischer Fürst beschrieben, der u. a. das Schloss Kiel im Renaissancestil umgestalten ließ, aber er klagte oft über die Armut seines Herzogtums.[37]. So muss man davon ausgehen, dass er sich selbst in Besitz der Stadtdörfer zu setzen wollte gegenüber der öffentlichen Gewalt einer Stadt.[38]

Seit 1543 forderte der Landesherr eine Rechnungslegung von dem Kieler Rat. Er warf dem Rat vor, mit den geistlichen Lehen und anderen Güter ungebührlich umgegangen und Kirchen, Schulen, Stadtmauern und Feste verfallen zu haben. Die ‘‘policey‘‘, die ‘‘gute Ordnung‘‘, werde nicht mehr gehalten.
Der herzogliche Kanzler Dr. Adam Tratziger[39] (* 1523; † 1584) berechnete den zum eigenen Vorteil des Kieler Rats verwendeten Betrag auf 100.000 Taler.
Doch der Kieler Rat folgte den Befehl des Herzog nicht und wandte in einem Schreiben ein, dass sie nicht durch Rechnungslegung verpflichtet sind und die Forderung die Privilegien der Stadt Kiel und des Kieler Rates einschränkt.

Schließlich sandte der Herzog Adolf 1579 ein Beschwerdeschreiben über den Kieler Rat zu dem Kaiser Maximilian II. (* 1527, † 1576). Im Antwortschreiben des Kaisers am 30. November 1570 hieß es, dass die Einkünfte und Nutzungrechte der Stadtdörfer nicht „privat Nutz“, sondern alleine für die Pfarrkirchen und den Armen Spitalhaus verwendet werden müssen: „… Ir doch nit macht habet. … So bevehlen wir Euch hiemit aus Kayserlicher macht, gnedlich und Entlich das Iraller und Jeder güeter Einkommen, so zu der Pfarrkirchen und dem Artmenhausbey Euch eigenthumblich gehörigm vorthin zu nichts anderen dann ainig zu der Kirchen und der Armen leut underhaltung und Nutz wendet, und es bei dem darzu es gestifftet beleiben lasset.“ (zitiert nach Volbehr ebd., S. 7)

Diese kaiserliche Schreiben und die erneute Aufforderung des Herzogs zur Rechnungslegung wurde im Mai 1571 dem Kieler Rat übergeben. In der ‘‘Underthenige Resolution eines Ersamen Raths der Stad Kyell uff des Kays. und Fl. Mandat und Monitoriall‘‘ schrieb der Kieler Rat, dass die Verwaltung der Stiftgüter ihm von Rechts wegen zusteht. Er verteidigte sich wider ihn erhobenen Beschuldigungen wie Unterschlagung von Brüch- und Strafgelder und Pachtzinsen. Die Verwaltung war in „… „gebürlicher Ordnung und wie die seligen Vorfahren es gehalten“ … „daß sie bey dieser Armen Regierung die Sorge. Last und versäumnus getragen, als eigenthümliche Inhaber, gleich als ein Diener seinen Lohn, sich fürbehalten“, ...“ (zitiert nach Volbehr ebd., S. 8)
In dieser Resolution sah der Herzog aber keine Besserung und keine richtigen Erklärung des Kieler Rates und drohte mit der Verlust der Kieler Privilegien.

Nach 20 Jahren Widerstand schloss die Stadt Kiel schließlich 1572 den erste, aus Sicht des Rates ungünstigen Pachtvertrag (Häuer Contract) mit dem Herzog ab:
Sämtliche Güter, Dörfer, Holzungen und mehr (die Stadtdörfer wurden nicht einzeln und namentlich aufgeführt) wurden auf 20 Jahren zur Miete an den Herzog von 800 lübsche Mark jährlich und Reallasten zusammen um 1200 Mark für den Unterhalt der Armen und den Kirchen- und Schuldiener.
Die Ansprüche und Anklagen gegen den Kieler Rats und andere Bürgern werden fallen gelassen. Der Kieler Rat behält die Armenhäuser und der Herzog verspricht, dass er und seine Erben die beiden Armenhäuser im baulichen Stand zu erhalten. Nach Ablauf der 20 Jahre, „… „wenn vor derenselben Ausgange kein ander Handel getroffen würde, das Eigenthum aller Güter bei dem Armen bleiben“ und dem Rath doe Administration wieder übergeben werden sollte.“ (zitiert nach Volbehr ebd., S. 12) Das allerdings geschah niemals: die Stadtdörfer waren nur noch nominell Eigentum des Stadt, der Herzog Adolf und seine Nachfolger sahen sie als ihr Eigentum.

Der Herzog Friedrich II. (* 21. April 1568; † 15. Juni 1587) verschriebt seiner Mutter, die verwitweten Herzogin Christine (* 29. Juni 1543 in Kassel; † 13. Mai 1604 in Kiel), die Kieler Stiftgüter als Leibrente.
Bei Ablauf der Vertragszeit im Jahr 1592 verlangte der Herzog Johann Adolf (* 27. Februar 1575 ; † 31. März 1616) eine Verlängerung. Anfänglich wenig geneigt, war der Kieler Rat mit der Verlängerung für die Lebenszeit der fürstlichen Witwe, einverstanden „…, jedoch mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß bei deren Tode „ohne alle ferneren defficulteten“ dem vorigen Vertrag nachgelebt werden solle.“(Volbehr ebd., S. 14)
Auch verlangte der Rat die Zusage von weiteren 400 Mark jährlich, entrichtetete aus der Gottorfische Kammer „wegen der Verwaltung der Hospitalsgütern“.
Nach dem Tod der Herzogin Christine wurde jedoch der Pachtvertrag nochmals um 30 Jahre verlängert. Der Kieler Rat versuchte erfolglos, günstige Bedingungen zu erlangen wie den Hof Hammer und das Dorf Russee mit dem Russeer See oder statt dessen das Dorf Schönkirchen zurückzuerhalten. Dagegen wurde der Pachtzins auf 1000 Mark und gleichfalls Zulage von 1000 Mark.

Herzog Christian Albrecht erneuerte den Pachtkontrakt 1663 auf 30 Jahre, In dieser Zeit wurde schon Kopperpahl zu dem Gut Kronshagen vereinigt, welches der herzogliche Kanzler Johann Adolph Kielmann von Kielmannsegg (* 15. Oktober 1612 in Itzehoe; † 8. Juli 1676 in Kopenhagen) erwarb. Verbunden mit seiner bedenklichen finanziellen Lage zwang der Herzog im Jahr 1667 die Stadt Kiel durch den sogenannten Permutations-Kontrakt, sämtliche Dörfer „zu ewigen Zeit“ mit „… allen dazu mehr gehörigen Land und Leute ..., Recht und Gerechtigkeiten , …S. 19 abzutreten mit der Begründung, dass der eigentlich nur für bestimmte Zeit geschlossene Pachtkontrakt zu einen perpetuierliche Zustand geworden war.
Im Gegenzug sollte die Gottorper Kammer jährlich 1000 Reichstaler für den Kieler Rat und für die Armen zahlen und das Amt Kiel die Zahlungen und Reallasten an das Stadtkloster, an der Nikolaikirche und Stadtschulen sowie die Zulagen in Geld und Sachen für die Armen, den Lehren und in Kirchspiel Kiel den Geistlichen und Kirchenbedienten entrichten. Nachdem Schleswig-Holstein eine preußische Provinz geworden war, wurden die Zahlungen und Reallasten von dem preußischen Staat abgelöst, die man von etwa 66000 Reichsmark jährlich schätzen.

Anmerkungen

  1. Von Schröder (ebd., S. 131 erwähnt, dass ‘‘Peter Berser‘‘ die andere Hälfte des Burglehns gehörte.
  2. Armenklöster sagte man in Kiel für die Hospitäler und Armenhäuser nach der Reformatiom, bspw. in den Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte 1793 (book.google). Vermutlich durch ihre Verlegung auf das Gelände des ehemaligen Franziskanerklosters ging die Bezeichnung „Klöster“ auf die Hospitäler über, die in Urkunde erwähnt werden (Heiligengeistkloster, St. Jürgenkloster, St. Annen und Erasmi-Kloster und Neugasthauskloster), obwohl sie keine Klöster waren. Heute erinnert der Name der Stiftung Kieler Stadtkloster daran (siehe [https://www.stadtkloster.de/de/stiftung/geschichte.html Geschichte der Stiftung)

Einzelnachweise

  1. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm Leipzig 1854-1961,Band 17, Sp. 450 bis 451
  2. Wikipedia: „Dorf“
  3. Wikipedia: „Adliges Gut“
  4. Online-Lexikon der Geographie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2001
  5. Bereichsplanung Kieler Süden auf kiel.de, abgerufen am 22. Juni 2019
  6. Friedrich Volbehr, Zur Geschichte der ehemaligen Kieler Stadtdörfer in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 2 , Schmidt und Klaunig Kiel 1879, S.3 ff.
  7. Siehe auch Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Zweiter Theil J-Z, C. Fränckel Oldenburg (in Holstein) 1841, S. 47
  8. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 452
  9. Wikipedia: „Lehnswesen“
  10. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 464 f.
  11. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 131
  12. Siehe auch von Schröder ebd., Erster Theil, S. S. 282
  13. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 326. Nach anderen Quellen verkaufte Iven Reventlou sein Grundstück im Dorf Schonkirchen, das er als Mitgift für seine Ehefrau erwarb, weil der Graf Johann III. der Milde und sein Sohn Adolf VII. der Milde (* um 1327, † 26. Januar 1390) das Dorf dem Heiligengeisthospital schenkten (Datenbank mit Informationen zur Familie Reventlow Database med oplysninger om slægten Reventlow)
  14. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 338
  15. von Schröder ebd., Erster Theil, S.268
  16. Siege auch von Schröder ebd., Erster Theil, S.144 (Dietrichsdorf) und Zweiter Theil, S. 125 (Mönkeberg)
  17. von Schröder ebd., Erster Theil, S. 37 und S.67
  18. von Schröder ebd., Zweiter Theil, S. 213 (Ottendorf) und S. 298 (Russee)
  19. Siehe von Schröder ebd., Erster Theil, S. 202
  20. Wilhelm Ernst Christiani, Geschichte der Herzogthümer Schleswig und Hollstein, Dritter Theil, Band 3, S. 451 (books.google)
  21. von Schröder ebd., Erster Theil, S.144 (Brunswik)
  22. von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 393. t
  23. Krünitz ebd., S. 592
  24. Volbehr ebd., S. 19
  25. Wikipedia: „Armenpflege“; Wikipedia: „Armenversorgung“
  26. Wikipedia: „Hospital“
  27. Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte 1793 Siebenten Jahrgang erster Band, Leipzig bei J- F- Hammerich 1793, S. 304 ff. (book.google)
  28. Wikipedia: „Armut“; Wikipedia: „Armut im geschichtlichen Wandel: Mittelalter“
  29. Wikipedia: „Armenhaus“
  30. Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte 1793 ebd., S.306 (book.google); Volbehr ebd., S. 3 ff.
  31. Geschichte der Stiftung Kieler Stadtkloster, abgerufen am 3. Juli 2019
  32. Krünitz ebd, S. 592
  33. Volbehr ebd., S. 5 ff.
  34. Wikipedia: „Festigung der Macht der Territorialstaaten“
  35. Carl Rodenberg, Aus dem Kieler Leben im 14. und 15. Jahrhundert in Mittheilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Zwölftes Heft, Kiel 1894, S. 14.ff.
  36. Volbehr ebd, S. 5 ff.; Geschichte der Stiftung Kieler Stadtkloster, abgerufen am 3. Juli 2019
  37. Christian Degn, Schleswig-Holstein ‘‘eine Landesgeschichte‘‘, Wachholtz Verlag Neumünster 2. Auflage 1995. S. 116
  38. Das Folgende bezieht sich vorrangig auf Volbehr ebd, S. 5 ff.
  39. Wikipedia: „Adam Tratziger“