Küstenkraftwerk

Aus Kiel-Wiki


Küstenkraftwerk der Stadtwerke Kiel

Gegründet
ab 2007 (Planungsphase)
Adresse
Hasselfelde 30
24149 Kiel
Web
[www.küstenkraftwerk.de www.küstenkraftwerk.de]
Branche
Energieversorgung
Das Küstenkraftwerk im April 2018

Das Küstenkraftwerk ist ein Heizkraftwerk der Stadtwerke Kiel, das von 2015 bis 2019 schrittweise in Betrieb ging. Die offizielle Inbetriebnahme wurde am 16. Januar 2020 gefeiert.[1]

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kraftwerk besitzt drei Hauptkomponenten:

  • 20 Erdgasmotoren für die Stromerzeugung (190 MW) und die Wärmeerzeugung (192 MW),
  • einen Elektrodenkessel zur weiteren Wärmeerzeugung aus Strom-Übermengen oder bei besonderen Winter-Wetterlagen,
  • einen Warmwasserspeicher mit 30 000 m³ Fassungsvermögen.

Das Küstenkraftwerk löst das Gemeinschaftskraftwerk Kiel ab, das nach 49-jähriger Betriebsdauer am 31. März 2019 vom Netz ging.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Planungen für einen Ersatz des Gemeinschaftskraftwerks begannen bereits 2007. Im Jahr 2012 fiel die Entscheidung, es unmittelbar neben diesem zu errichten. Ausschlaggebend war dabei, dass die notwendigen Versorgungsanschlüsse durch das Gemeinschaftskraftwerk vorhanden waren und dass das Grundstück zur Verfügung stand.

Ein Jahr später wurde die Entscheidung für ein Gasmotorenkraftwerk getroffen. Auf dem künftigen Bauplatz begann damit auch die Suche nach Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg und die Beseitigung von über 9 Tonnen Kampfmitteln.

Im März 2015 begann der Bau des Wärmespeichers und drei Monate später konnte der Elektrodenkessel aufgestellt werden. Im September 2015 war das Fundament des Wärmespeichers fertiggestellt und wiederum ein Viertel Jahr später konnte der Elektrodenkessel seinen wirtschaftlichen Betrieb aufnehmen. Damit war die erste Komponente des neuen Kraftwerks in Betrieb.

Der 60 m hohe Wärmespeicher wurde bis 2017 im Spiralverfahren gewissermaßen von oben nach unten gebaut. Dabei wird der schon fertig gestellte Teil des stählernen Speicherbehälters von einer Hub-Dreh-Vorrichtung gedreht und dabei angehoben, sodass immer unten angebaut werden kann.

Anschließend entstand ab April 2017 die Motorenhalle und im November wurden die vier 72 m hohen Schornsteine geliefert, die neben dem Wärmespeicher die von weitem erkennbare Silhouette des Kraftwerks prägen. Bis zum Februar 2018 waren alle 20 Gasmotoren angeliefert und damit begann die Inbetriebsetzungphase. Im August konnte erstmalig ein Motor im Probelauf auf Nenndrehzahl gebracht werden ("First Fire"). Nach dem Probebetrieb des Kraftwerks konnte es dann Ende November seinen kommerziellen Betrieb beginnen.

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gasmotorenanlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick über die Reventloubrücke auf (v.l.n.r) das Küstenkraftwerk, das Gemeinschaftskraftwerk und Teile des Ostuferhafens

Die 20 Gasmotoren J920 flextra wurden von General Electrics Jenbacher in Jenbach/Tirol gebaut. Es handelt sich um V-Motoren mit je 20 Zylindern, 175 Tonnen Gewicht und 9,5 MW Leistung. Die Anlauf- und Stoppzeit eines Motors bis zur und aus der Vollast liegt bei nur fünf Minuten. Mit den getrennt steuerbaren Motoren kann daher sehr flexibel auf Variationen im Strombedarf reagiert werden.

Jeder Motor treibt einerseits einen Generator für die Stromerzeugung an; andererseits wird sein Kühlwasser in einem Wärmetauscher genutzt, um das Kieler Fernheizwasser zu erhitzen. Dieses Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung wird schon seit Jahrzehnten in Blockheizkraftwerken[2] jeder Größenordnung verwendet.

Die 20 Gasmotoren stehen zu je fünfen in vier Motorenhallen, an den vier Schornsteinen des Kraftwerks deutlich zu erkennen. Auf den Dächern der Maschinenhallen befinden sich je 20 Rückkühleranlagen. Sie dienen dazu, das Kühlwasser der Gasmotoren auch an heißen Tagen zu kühlen, wenn nur wenig Wärme über das Fernwärmenetz abgerufen wird.

Die Stadtwerke Kiel verweisen darauf, dass das Küstenkraftwerk derzeit (2020) das modernste Kraftwerk seiner Art in Europa ist, das dabei auf Gasmotoren setzt. Sie stellen dabei auch heraus, dass durch die Kraft-Wärme-Kopplung ein Wirkungsgrad von 90 % erreicht werde und dass sich die Kohlendioxidemission gegenüber dem bisherigen Gemeinschaftskraftwerk um 70 % verringere.

Elektrodenkessel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Elektrodenkessel ist ein elektrischer Warmwasserbereiter, bei dem der für die Erwärmung sorgende Strom nicht durch Heizstäbe fließt, sondern direkt durch das Wasser.

Der Kessel des Fördekraftwerks wurde von der Firma bva Elektrokessel, der deutschen Tochter des dänischen Unternehmens inopower A/S aus Nørresundby bei Aalborg/Dänemark geliefert.

Der Elektrodenkessel hat eine Leistung von 35 MW. Er hat knapp 4 m Durchmesser und 6,50 m Höhe und wird mit 10 kV Wechselspannung betrieben.

Wärmespeicher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wärmespeicher dient als "Thermosbehälter" für das erhitzte Wasser, das mit der Abwärme der Gasmotoren oder im Elektrodenkessel erzeugt wurde. Er hat mit seiner Außenisolierung einen Durchmesser von 31 m und eine Gesamthöhe von 60 m.

Das Wasser wird bei einer Temperatur von 115 °C gespeichert. Damit es bei dieser Temperatur nicht verdampft, muss es unter Druck gehalten werden. Dafür befindet sich im Wärmespeicher eine Zwischendecke, auf der eine 13 m hohe Wassersäule steht, die den nötigen Druck erzeugt und nicht zum Speichervolumen gehört.

Der Wärmespeicher enthält daher insgesamt 42 000 m³ Wasser, von denen allerdings nur 30 000 m³ Nutzvolumen sind.

Probleme in der Bauphase[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch wenn es sich beim Bau des Küstenkraftwerks um ein ambitioniertes Leuchtturmprojekt handelte, ging es dabei nicht ohne Probleme, welche die Projektlaufzeit verlängerten.

Zunächst gab es im Herbst und Winter 2017/2018 Bauverzögerungen. Sie erforderten, dass der Starttermin für das Kraftwerk vom 1. Oktober 2018 auf den 1. April 2019 verschoben werden musste. Dafür musste aber das Gemeinschaftskraftwerk einen Winter länger am Netz bleiben, um die Stadt mit Wärme zu versorgen.

Unmittelbar vor diesem Inbetriebnahmetermin, Ende März 2019, wurde dann bekannt, dass die Kühlleistung des auf den Dächern der Motorenhallen montierten Rückkühlsystems unzureichend ist. Als neuer Inbetriebnahmetermin wurde der September 2019 genannt. Weil das Kühlproblem aber nicht kurzfristig lösbar war, konnte der 20-tägige Probebetrieb nicht wie geplant im Sommer beginnen, sondern wurde auf die kühlere Jahreszeit verschoben. Das hatte auch eine Verschiebung des Inbetriebnahmetermins für das Kraftwerk im Ganzen zur Folge.

Während der Zeit von der Stilllegung des Gemeinschaftskraftwerks (Ende März 2019) bis zur Inbetriebnahme des Küstenkraftwerks (November 2019) besaß Kiel keine nennenswerte eigene Stromerzeugung. Die verbliebenen Kraftwerke (Humboldtstraße, Raisdorf I und II sowie das Müllheizkraftwerk) liefern zusammen weniger als 30 MW.

Klimafreundlichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kontroverse von 2020[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 2020 entspann sich eine Kontroverse um die von den Stadtwerken angeführte um 70 % geringere CO2-Emission gegenüber dem kohlebetriebenen Vorgängerkraftwerk.

Dazu wurde seitens des Umweltbundesamtes angeführt, dass die Gasmotoren aus technischen Gründen einen Teil des Brennstoffs unverbrannt in die Atmosphäre ausstoßen. Hauptbestandteil des Erdgases ist aber Methan (CH4), welches 25 bis 28 Mal klimaschädlicher als CO2 sei. Dieser sogenannte "Methan-Schlupf" wirke so, als wenn das Kraftwerk 15 % mehr CO2 erzeugte, als bei der Verbrennung entsteht.

Von anderer Stelle wurde darauf verwiesen, dass auch bei der Förderung und dem Transport des Erdgases eine nicht unerhebliche Menge entweicht.

Die Stadtwerke hielten dagegen, dass es zwar keinen vorgeschriebenen Grenzwert für die Methan-Emission des Kraftwerks gebe. Sie sei bei der Planung des Kraftwerks allerdings berücksichtigt worden. Wenn man den Methan-Schlupf mit einrechne, verringere das den Vorteil des Küstenkraftwerks gegenüber der Vorgängeranlage lediglich von 73 auf 69 %.[3]

Vorreiterin für die "Wärmewende"[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einem Artikel zu den Problemen der "Wärmewende" schrieb Der Spiegel im Juni 2023: "Eine Kommune, in der die Wärmewende schon mit großen Schritten vorangeht, ist Kiel. Die Stadt [...] muss ihren Wärmeplan bis Dezember 2024 fertigstellen, zuvor will sie den Menschen mit einem Online-Ampelsystem Orientierung geben. [...]

Die Ausgangslage an der Ostsee ist gut: Schon heute heizt in vielen Kieler Stadtteilen die Hälfte aller Haushalte mit Fernwärme, die aus Gaskraftwerken und einer Müllverbrennungsanlage kommt. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer will die Fernwärme ausbauen und bis 2035 klimaneutral machen. Die 19 Motoren des gasbetriebenen Küstenkraftwerks sollen nach und nach für Wasserstoff gerüstet werden. Künftig wollen die Stadtwerke unter anderem die Wärme des Klärschlamms nutzen. Preislich werde die Fernwärme auch in Zukunft attraktiv für die angeschlossenen Haushalte sein, glaubt Kämpfer, der zugleich Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ist. 'Sie bietet Größenvorteile in der Erzeugung, die einzeln niemand hat: je mehr sich anschließen, desto günstiger für alle.'

Der Um- und Ausbau der Fernwärme wird allein in Kiel Hunderte Millionen Euro kosten. Und für die Stadtwerke würde es sich kaum rechnen, nur einzelne Häuser anzuschließen. Sie braucht Masse. 'Der Ausbau der Fernwärme muss auch wirtschaftlich sein,' sagt Kämpfer. 'Wir werden daher offen über einen Anschluss- und Benutzungszwang diskutieren müssen, wenn wir das Netz erweitern.' Zu Überlegungen wie denen in Kiel will die Ampelkoalition nun alle Städte Deutschlands verdonnern."[4]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 Commons: Küstenkraftwerk Kiel – Sammlung von Bildern
  • Karte „Küstenkraftwerk“ auf dem Online-Stadtplan der Stadt Kiel, aufrufbar auf kiel.de
  • Informationen zum Küstenkraftwerk auf der Webseite der Stadtwerke Kiel, gelesen am 13. Febr. 2020
  • Playlist der Stadtwerke Kiel bei youtube.com zum Küstenkraftwerk, gesehen am 14. Febr. 2020. (Anmerkung: Einige der Videos sind auch im obigen Weblink enthalten, dort ist aber kein Vollbildmodus möglich.)
  • Werbefilm des Motorenherstellers GE Jenbacher mit Explosionsdarstellungen der Gasmotoren, gesehen am 14. Febr. 2020 (englisch).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bericht zur Inbetriebnahme bei kn-online.de, gelesen am 14. Febr. 2020
  2. Wikipedia: „Blockheizkraftwerk“
  3. Bericht zur Methan-Schlupf-Kontroverse in den Kieler Nachrichten vom 13. Febr. 2020 (Druckausgabe, S. 1 und 7, Kommentar S. 2); keine Verlinkung, da nur kostenpflichtig lesbar
  4. Gnadenfrist mit Tücken, Der Spiegel, 17.6.2023