Arbeitserziehungslager Nordmark

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Gedenkstele, 2017

Geschichte des Lagers

Das Arbeitserziehungslager Nordmark (AEL Nordmark) war ein Häftlingslager der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), das ab Juni 1944 errichtet wurde und bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges bestand.[1] Es befand sich auf einer Fläche von etwa 16 ha am Ostrand des Vorderen Russees im Stadtteil Hassee, unmittelbar an der damaligen Stadtgrenze. Heute verläuft dort der Seekoppelweg.

Die Häftlinge wurden ohne Gerichtsverfahren durch die Gestapo in "Schutzhaft" genommen. Es wird geschätzt, dass insgesamt 4 000 bis 5 000 Menschen im Lager inhaftiert waren; die Schätzungen variieren zwischen 3 700 und 6 000 Personen. Die ersten Gefangenen wurden dort Ende Juli 1944 inhaftiert und zu Zwangsarbeit herangezogen. Einsatzgebiete waren Trümmerräumung, Bunkerbau und Bombenräumung, aber auch Arbeit in Kieler Zivilbetrieben.

In den letzten Kriegswochen war das Lager durch "Evakuierungstransporte" (Todesmärsche) aus anderen Lagern vollkommen überfüllt. Durch die Haft- und Arbeitsbedingungen sowie durch Ermordungen, insbesondere in den letzten Tagen angesichts der heranrückenden Front, sind mindestens 578 Häftlinge im AEL Nordmark ums Leben gekommen.[2]

Nach Kriegsende wurden die vorhandenen Baracken lange als Flüchtlingslager genutzt. Erst als dies um 1960 nicht mehr erforderlich war, wurden die Holzbaracken abgerissen. Ab 1962 wurde dort der Seekoppelweg angelegt und das heutige Gewerbegebiet entstand.[3]

Juristische Aufarbeitung

Durch britische Gerichte

  • Der Lagerkommandant, Kriminalkommissar und SS-Sturmbannführer Johannes Post, wurde am 3. September 1947 von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt und im Februar 1948 gehängt. Das Urteil erging allerdings wegen seiner Beteiligung an der Ermordung von alliierten Flugzeugbesatzungen am 29. März 1944[4][5], also für Taten, die er unabhängig von seiner Tätigkeit im AEL Nordmark begangen hatte.
  • Von Herbst 1947 bis Frühjahr 1948 standen 24 Personen unter Mordanklage vor einem britischen Militärgericht in Hamburg ("Kiel-Hassee-Cases").
    • Sieben davon wurden, vorwiegend wegen Mangels an Beweisen, freigesprochen.
    • 15 Angeklagte wurden zu Haftstrafen zwischen zwei und 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
    • Dem dänischen Lagersanitäter Orla Eigil Jensen konnte die Ermordung kranker und schwer verletzter Häftlinge nachgewiesen werden. Er wurde zum Tode verurteilt, die Strafe wurde nach Einspruch durch das dänische Königshaus in lebenslange Haft umgewandelt.
    • Der stellvertretende Lagerkommandant Otto Baumann wurde zum Tode verurteilt. Er wurde 1948 hingerichtet.
Alle zu Haftstrafen Verurteilten kamen bis 1956 aus den Gefängnissen frei.

Durch deutsche Gerichte

Durch die deutsche Justiz wurden die Verbrechen im AEL Nordmark nicht gesühnt. Die Staatsanwaltschaften ermittelten zwischen 1946 und 1967 mehrfach gegen Täter wegen Mord, Totschlag oder Beteiligung daran, es kam jedoch nur selten zu Anklagen und verurteilt wurde niemand.

Der Hauptverantwortliche für das Lager, der ehemalige schleswig-holsteinische Gestapo-Chef Fritz Schmidt, war untergetaucht und konnte erst 1963 verhaftet werden. Die Anklagebehörde konnte ihm keinen Mord mehr nachweisen, so dass auch er nicht verurteilt wurde.[6]

Gedenken

Gedenksteinenthüllung durch Günther Bantzer, 1971

Mindestens zwei Gedenksteine wurden bereits 1946/47 durch überlebende ehemalige polnische Zwangsarbeiter aufgestellt. Sie waren allerdings spätestens nach der Neubebauung des Geländes Anfang der 1960er-Jahre verschwunden.

Erst am 17. Juni 1971 wurde wieder ein Gedenkstein aufgestellt, und zwar an der Ecke Seekoppelweg/Rendsburger Landstraße. Der Aufstellungsort gehört heute zum Firmengrundstück der Firma J. Matthies und steht dort am Rande des Kundenparkplatzes gegenüber dem Gebäudeeingang.

In den 1980er-Jahren konnte durch den "Arbeitskreis Asche-Prozeß" und später durch den "Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein" (AKENS) die Geschichte des Lagers weiter erforscht und aufgearbeitet werden. Das führte 1985 zur Aufstellung einer Betonstele mit einer bronzenen Informationstafel am Platz des ehemaligen Lagereingangs an der Rendsburger Landstraße. Seit 1985 führt auch die Stadt Kiel regelmäßig Gedenkveranstaltungen am Ort des Lages durch.

Ein im Frühjahr 1992 durch den Verein Arbeit für alle aufgestelltes Stelenfeld wurde nach einem halben Jahr wieder entfernt, weil es stark beschädigt worden war.

Im Jahr 2000 wurde ein Überrest von einem der ersten Gedenksteine aus der Nachkriegszeit wiederentdeckt. Seit dem 4. Mai 2003 gibt es nun unter Verwendung dieses Steines einen weiteren Gedenkstein und drei Informationstafeln auf dem ehemaligen Lagergelände: Sie befinden sich am Rande des heutigen Sportplatzes, neben den erhaltenen Betonfundamenten des ehemaligen "Gästehauses" der SS. [7][8]

Einen weiteren Gedenkort stellt eine unscheinbare Grabplatte auf dem Friedhof Eichhof. Dort sind in den Gräberfeldern 59 bis 61 die sterblichen Überreste von 41 Menschen bestattet worden, die man 1962 in einem Massengrab auf dem Lagergelände fand.[9]

Bilder

Weblinks

Karte „Standort des Gedenksteins von 1971“ auf dem Online-Stadtplan der Stadt Kiel, aufrufbar auf kiel.de
Karte „Standort der Betonstele von 1985“ auf dem Online-Stadtplan der Stadt Kiel, aufrufbar auf kiel.de
Karte „Standort der Gedenkstätte von 2000“ auf dem Online-Stadtplan der Stadt Kiel, aufrufbar auf kiel.de

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: „Arbeitserziehungslager Nordmark“
  2. Zu den Ermordungen in den letzten Wochen des Lagers bei kiel.de
  3. Geschichte des AEL Nordmark bei geschichte-s-h.de, mit einem Plan des Lagers
  4. Details zu den Fliegermorden bei akens.org
  5. Wikipedia: „Fliegermorde“
  6. Wikipedia: „Fritz Schmidt“
  7. Weitere Informationen zum Gedenkort bei akens.org
  8. Beschreibung der Gedenkstätten bei akens.org mit Plan des Lagers und Fotos der Gedenkstätten
  9. Jens Rönnau: Open Air Galerie Kiel - Kunst und Denkmäler, Neumünster (Wachholtz), 2011, ISBN 987-3-529-05-05433-4; dort die Nummern 81, 156, 242 und 304.