Waisenhofstraße

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Waisenhofstraße, Straßenstück in der Vorstadt

Die Waisenhofstraße beginnt an der Ecke Kleiner Kuhberg/Treppenstraße/ Hohe Straße und läuft von dort bis zum Knooper Weg.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie ist bereits 1853 ohne Straßennamen im Thalbitzerschen Stadtplan eingezeichnet. Der Name wird erstmals am 3. September 1856 im Kieler Correspondenzblatt und im Kieler Wochenblatt als neuer Straßennamen erwähnt.[1]

Der Name bezieht sich auf das Waisenhaus, das aufgrund einer testamentarischen Verfügung des Geheimrats Friedrich Gabriel Muhlius (vgl. Muhliusstraße) nach dessen Tod durch die Stadt Kiel im Herrenhaus Damperhof am 1. Juli 1781 eingerichtet wurde. Der Damperhof lag an der Ecke zwischen dem Kleinen Kuhberg und der Waisenhofstraße. Er hatte sich mitsamt den zugehörigen Ländereien, die heute im wesentlichen den Stadtteil Damperhof bilden, im Besitz von Muhlius befunden. Auf dem Waisenhof entstanden auch Armenwohnungen. Im Februar 1861 folgte die Schließung des Waisenhauses und die Armenwohnungen wurden abgerissen. Auf dem Gelände wurde anschließend durch den Architekten und späteren Stadtbaumeister Gustav Ludolf Martens die Frei- und Knabenbürgerschule am Waisenhof errichtet. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Stolpersteine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Waisenhofstraße 1b (ehemals 1) für Arthur Trieger, Rubin Trieger und Sara Trieger - geb. Hojda
  • Waisenhofstraße 34 für Ruchla Lieser, Adolf Isidor Metzger, Frimeta Lieser - geb. Strenger, Frymeta Metzger - geb. Klapper und Hermann Metzger
  • Waisenhofstraße 39 für Minna Hansen

Ehemalige Gebäude[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nr. 3: Das "Professorenhaus" trug diesen Namen, weil in dem der Stadt gehörenden Gebäude vorwiegend Lehrer wohnten. Im Erdgeschoss wurde 1878 die erste Kieler Volksküche eingerichtet.

Historische und ehemalige Unternehmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nr. 12-14 Kieler Brotfabrik: 1872 kaufte Ernst Lorenz Flügge das Haus Waisenhofstraße 14 und verlegte die väterliche Bäckerei aus der Schevenbrücke dorthin. Am neuen Standort hatte die Firma Hermann Radbruch Söhne bis dahin eine "Dampf-Chocoladen-, Stärke- und Bonbonfabrik" betrieben; unter Flügge wurde daraus eine Brotfabrik. 1884 kam das Haus Nr. 14 hinzu. 1901 übernahm Flügges Schwiegersohn Wilhelm Nehlsen den Betrieb. Im Ersten Weltkrieg verkaufte Nehlsen die Häuser, nachdem er den Betrieb vollständig in die neu gebaute Fabrik in der Wik verlegt hatte.
    Heute gehören die Grundstücke 12-16 zum Grundstück Rathausstraße 5 der katholischen St. Nikolaus-Gemeinde.

Eckbebauung Waisenhofstraße 18[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Grundstück Waisenhofstraße 18, an der Ecke zur Rathausstraße, sollte bereits im Lauf des Jahres 2014 ein fünfstöckiges Wohngebäude mit neun Eigentumswohnungen und Tiefgarage entstehen. Nach Planungsfehlern und damit verbundenen Verzögerungen wurde die Fertigstellung des Gebäudes dann für den Herbst 2017 angekündigt. Im März 2018 mussten die Bauherren allerdings aufgrund der entstandenen Mehrkosten Insolvenz anmelden. Die Zukunft des kurz vor der Vollendung des Rohbaus stehenden Gebäudes ist derzeit (Mai 2018) ungewiss.[2] Im Dezember 2018 wurde das Objekt von der Immobiliengesellschaft Kieler Stadthaus aus der Insolvenzmasse erworben. Der neue Investor beabsichtigt eine Überplanung des Gebäudes und rechnet mit einer Fertigstellung bis Ende 2020.[3]

Sagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Sagensammlung von Karl Viktor Müllenhoff findet sich:

Steenbock

Im Jahre 1713 brannte der schwedische General Steenbock Altona bis auf den Grund nieder. Er hat seitdem aber noch keine Ruhe gefunden und er fährt immer nachts in einer Kutsche mit einem kopflosen Kutscher in den neuen Straßen herum. Es bringt kein Glück, dem Gefährt zu begegnen. "... – In Kiel fährt auch jeden Abend um elf Uhr eine Kutsche mit vier schwarzen Pferden auf den Waisenhof hinauf, in der Muhlius, der Gründer des Waisenhauses, sitzt.
Mommsen. Mündlich."[4]

Und in der Sagensammlung von Gustav Friedrich Meyer:

Der Waisenhof

Alle Abend um elf Uhr sieht man eine große schwarze Kutsche mit vier schwarzen Hengsten bespannt über den Waisenhof in Kiel fahren und bei dem Waisenhause halten.
Darin sitzt der Geheime Rat Muhlius in voller Uniform mit Orden und Ordensband ernst und schweigend, und bei ihm sieht man zwei Waisenknaben in der ursprüngliche Tracht der ersten Zöglinge.
Er steigt aus und geht geräuschlos in sein altes, ihm wohlbekanntes Haus, durchwandert alle Zimmer, hier und da unzufrieden das Haupt schüttelnd, da und dort wohlgefällig nickend.
Zuletzt betritt er die beiden Säle, wo die Waisenkinder schlafen. Dort neigt er sich schlafenden Kind, horcht auf dem Atem, blickt einige Augenblicke seine Lieblinge forschend an, faltet danach die Hände des und schaut mit heiligem Ernst auf zum nächtlichen Himmel. Ohne Geräusch entfernt er sich wieder und steigt seufzend in die Kutsche, die dann schnell über den Hofplatz rollt und verschwindet. Niemand hatte den Rat gesehen oder gehört, aber wenn die Oberin die Kinder am Morgen wecken wollte, dann sah sie die friedlich gefaltet Hände der Kinder und wusste: der gute Geist des Hauses war zugegen gewesen.[5]

Der Kalvarienberg in Kiel

Man erzählte sich, dass eine Kalvarienkapelle da stand, wo später der Waisenhof des Rates Muhlius gebaut wurde. Nachts gingen dort Seelen umher, um Ruhe und Frieden zu finden. Wer Ohren hatte, hörte Chorgesänge und wer Augen hatte, sah die feierliche Prozession der Seelen, mal klagend, mal frohlockend, mal lauter, mal leiser. Die Messknaben mit ihren rauschenden Gewändern schritten zum Betaltar und knieten klagend nieder. Nach dem Gebet verschwanden die Seelen wieder, aber oft hörte man noch die flüsternden Gebete und das qualvolle Seufzen, das nicht verstummen wollte.[6]

Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kiel „Waisenhofstraße“ auf dem Online-Stadtplan der Stadt Kiel, aufrufbar auf kiel.de

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans-G. Hilscher: Kieler Straßenlexikon. Fortgeführt nach 2005 durch Dietrich Bleihöfer, ab 2022 durch Frank Mönig, Amt für Bauordnung, Vermessung und Geoinformation der Landeshauptstadt Kiel, Stand: Januar 2021. Abrufbar auf www.kiel.de oder als .pdf-Datei, ca. 1,5 MB
  2. Bericht über die Bebauung an der Ecke zur Rathausstraße bei kn-online.de, abgerufen am 27. Mai 2018
  3. Weiterer Bericht zum Fortgang der Dinge bei kn-online.de, abgerufen am 18. August 2018
  4. Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 184. auf zeno.org
  5. Nacherzählt nach Gustav Friedrich Meyer: Schleswig-Holsteiner Sagen, Jena 1929. Siehe Ulf Diederichs, Christa Hinze (Hrsg.), Norddeutsche Sagen Düsseldorf/Köln 1977, S.65; Broder-M. Ketelsen, Kieler Sagen, Verlag Michael Jung Kiel 1991, S. 24 f.
  6. Nacherzählt nach Gustav Friedrich Meyer: Schleswig-Holsteiner Sagen, Jena 1929. Siehe Broder-M. Ketelsen, Kieler Sagen, Verlag Michael Jung Kiel 1991, S. 25 f.