Andreas Gayk: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Andreas Gayk''' (* [[11. Oktober]] [[1893]] in [[Gaarden]]; † [[1. Oktober]] [[1954]] in [[Kiel]]) war ein deutscher Politiker ([[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]). Er war nach dem Zweiten Weltkrieg [[Oberbürgermeister]] der Stadt Kiel und wirkte am Wiederaufbau der durch die Luftangriffe zerstörten Stadt entscheidend mit.
[[Datei:Andreas Gayk.jpg|mini|Andreas Gayk im Oktober 1948]]
'''Andreas Gayk''' (* [[11. Oktober]] [[1893]] in Kiel; † [[1. Oktober]] [[1954]] in Kiel) war ein deutscher Politiker ([[SPD]]). Er war ab 1946 [[Oberbürgermeister]] von Kiel<ref>[https://www.kiel.de/de/kiel_zukunft/stadtgeschichte/ob/index.php ''Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister''] auf kiel.de, abgerufen am 20. März 2024</ref> und wirkte am Wiederaufbau der durch [[Luftangriffe auf Kiel|Luftangriffe]] zerstörten Stadt entscheidend mit.<ref>{{WP|Andreas_Gayk}}</ref>


== Leben ==
== Werdegang ==
Andreas Gayk wurde in [[Gaarden]] geboren, das erst 1901 in das Kieler Stadtgebiet eingemeindet wurde. Sein Vater arbeitete als Tischler auf einer Werft. Nach dem Besuch der Volksschule begann Gayk zunächst eine kaufmännische Lehre, die er jedoch abbrach, um als Journalist bei einer SPD-Parteizeitung in Lüdenscheid zu arbeiten. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg kehrte er nach Kiel zurück. Hier war er [[1919]] Mitglied des [[Arbeiter- und Soldatenrat]]es, und er trat in die Redaktion der [[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung]] ein, deren Lokalredakteur er ab [[1926]] war.
Andreas Gayk wuchs in der Kieler Arbeiterbewegung auf. Häufig heißt es, er sei im Dorf Gaarden geboren. Nach Recherchen des Kieler Stadtarchivs vom August 2015 wohnte die Familie 1893 jedoch in der Annenstraße 7a in Kiel und zog erst ca. 1901 nach Gaarden, um die Zeit, als das Dorf in das Kieler Stadtgebiet eingemeindet wurde. Er machte eine praktische Ausbildung als Journalist und war früh bei der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung]]'' tätig.


[[1927]] organisierte Gayk als schleswig-holsteinischer Landesvorsitzender der ''Kinderfreunde''<ref>[[Uwe Danker]], Astrid Schwabe: ''Filme erzählen Geschichte. Schleswig-Holstein im 20. Jahrhundert''. Gemeinsam mit Astrid Schwabe. Wachholtz, Neumünster 2010, S. 27.</ref> auf dem städtischen Gelände [[Gut Seekamp]] am Westufer der [[Kieler Förde]] eine [[Kinderrepublik]], an der ca. 2.000 Kinder teilnahmen. Die Idee war von der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde ausgegangen. Eine Dokumentation über die ''rote Kinderrepublik'' erschien [[1929]].
[[Datei:Familie Gayk 1934.jpg|mini|left|Familie Gayk 1934 in Berlin]]Schon in der Weimarer Republik wurde er 1927 für die [[SPD Kiel|SPD]] zum Stadtverordneten gewählt. Er war auch führend beteiligt an der Idee und Organisation der [[Kinderrepublik Seekamp]], die im Sommer [[1927]] auf dem Gelände der städtischen Domäne Seekamp in [[Schilksee]] stattfand.<ref>Vgl. hierzu den gleichnamigen Eintrag in der [https://www.spd-geschichtswerkstatt.de/wiki/Kinderrepublik_Seekamp SPD-Geschichtswerkstatt].</ref>


Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde die Volks-Zeitung verboten und Gayk kurzzeitig inhaftiert. Einer weiteren Verfolgung entging er durch einen Wohnungswechsel von Kiel nach Berlin. Hier arbeitete er als Schriftleiter im Verlag Dr. A. Ristow, der von Juni [[1933]] bis August [[1935]] die regimekritische Wochenzeitschrift ''Blick in die Zeit'' herausgeben konnte. Die Zeitschrift wurde 1935 ebenfalls verboten.
Während der [[NSDAP|NS-Herrschaft]] war er in Widerstandsgruppen aktiv und zog, um Nachstellungen der Kieler Gestapo zu entgehen, mit seiner Familie in das anonymere Berlin. Anfang 1945 konnte er nach Schleswig-Holstein zurückkehren und entging so dem Endkampf um die Hauptstadt, wo er als Hilfspolizist dienstverpflichtet war. Seine beiden Söhne starben als Soldaten im Krieg.<ref>Zur NS-Zeit vgl. den Eintrag zu Andreas Gayk in der [https://www.spd-geschichtswerkstatt.de/wiki/Andreas_Gayk SPD-Geschichtswerkstatt].</ref>


Im Jahr 1936 übernahm Gayk als freier Mitarbeiter von Otto Suhr wissenschaftliche Recherchen, die Suhr für seine Artikel in der ''Frankfurter Zeitung'' und im Magazin ''Deutscher Volkswirt'' verwendete.<ref>Jensen u. Rickers: Andreas Gayk. Neumünster 1974, S. 196f.</ref> Im Januar 1937 begannen Gayks Tätigkeiten in der pharmazeutischen Industrie, und zwar ab dem 1. April 1939 als pharmazeutischer Vertreter für die Chemischen Werke Albert-Wiesbaden-Biebrich. Am 26. Juli 1943 wurde Gayk zur Berliner Hilfspolizei eingezogen.
Von 1945 bis 1950 gehörte Andreas Gayk erneut der Kieler Ratsversammlung an, vom [[26. Februar]] [[1946]] bis zu seinem Tod auch dem - zunächst ernannten - schleswig-holsteinischen [[Landtag]]. Außerdem vertrat er die SPD im Parlamentarischen Rat und gehört somit zu den "Vätern" des Grundgesetzes. Eine Bundestagskandidatur oder ein Amt auf der Bundesebene seiner Partei - er war [[1952]] nach dem Tod von von Kurt Schumacher als stellvertretender Parteivorsitzender im Gespräch - lehnte er jedoch ab. Er verstand sich nach eigenem Bekunden vor allem als Kommunalpolitiker.


1946 übernahm Gayk in Kiel die Chefredaktion der wiederbegründeten [[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|''Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung'']].
===Oberbürgermeister===
Seine bleibende Leistung vollbrachte Andreas Gayk als Kieler [[Oberbürgermeister]] der Nachkriegszeit. Unter dem Schlagwort ''Bürger bauen eine Stadt'' forcierte er die Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau der zu 80 % zerstörten Stadt Kiel. Geräumte Trümmerflächen, die nicht sofort bebaut werden konnten, wurden nach seiner Idee mit Bäumen bepflanzt. Noch heute gibt es in Kiel einige Reste dieser sog. ''Gayk-Wäldchen''.  


Das Ehepaar Andreas und Frieda Gayk - dessen zwei Söhne im Zweiten Weltkrieg gefallen sind - wohnte nach dem Krieg in einem genossenschaftseigenem Mehrfamilienhaus (Virchowstraße 2/1. Etage rechts/Ecke Westring). Im Jahr 1954 bezogen sie eine Wohnung in der Eichendorffstraße.
Er riskierte Konflikte mit der britischen Militärverwaltung und führte die Proteste gegen deren Sprengungs- und Demontagepolitik an; für den Satz "Vorher hatten wir die Braunen, und nun haben wir die englische Krankheit!" erhielt er von den Briten Redeverbot, das erst kurz vor einer wichtigen Wahlkundgebung aufgehoben wurde.<ref>Vgl. ''Seit der ersten Stunde dabei: [[Ida Hinz]]'', ''Kieler Nachrichten'', 12. Oktober 1971</ref> Gegen die Demontage der Holmag-Werke in [[Friedrichsort]] wehrte er sich mit der Drohung "Und wenn hier die Hallen gesprengt werden sollen, dann mit mir."<ref>So bei Franke, Egon: ''Ein leidenschaftlicher Sozialdemokrat''. In: [[Jürgen Jensen|Jensen, Jürgen]] / [[Karl Rickers|Rickers, Karl]] (Hrsg.): ''Andreas Gayk und seine Zeit. Erinnerungen an den Kieler Oberbürgermeister'' (Neumünster 1974), S. 93</ref> Die Drohung blieb erfolglos, aber solche Aktionen und Äußerungen begründeten seinen legendären Ruf bei der Kieler Bevölkerung.


== Partei ==
Er arbeitete daran, Kiel mit der Ansiedlung von Friedensindustrien eine neue Lebensgrundlage zu schaffen. Bei den Besatzungsbehörden erreichte er, dass ziviler Schiffbau in beschränktem Umfang wieder erlaubt wurde, und er förderte die Seefischerei. Nach und nach siedelten sich Betriebe für Fischverarbeitung, Maschinenbau, Fein- und Elektromechanik sowie Textilherstellung an, die Arbeitslosigkeit in Kiel ging zurück.  
Seit 1911 war Andreas Gayk Mitglied der SPD, und er zählte zu den Wiederbegründern der Parteiorganisation nach der Kapitulation am 8. Mai 1945. Zur Vorbereitung der ersten Bezirkskonferenz hatte sich im Sommer 1945 in Kiel eine Organisationsgruppe konstituiert, der neben Andreas Gayk auch Karl Ratz, Heinrich Fischer und Wilhelm Kuklinski angehörten. Entgegen einem Verbot der britischen [[Militärregierung]] wurde am 27. und 28. Oktober 1945 in Kiel eine erste Bezirkskonferenz abgehalten.<ref>W.L. Christiansen: Meine Geschichte. S. 26f.</ref>


Auf dem 1. Bezirksparteitag der SPD Schleswig-Holstein am 10. März 1946 in Neumünster wurde Gayk zum 3. Vorsitzenden der Bezirksorganisation gewählt. Seit dem  2. Bezirksparteitag, der am 7. Juni 1947 in Bad Segeberg stattfand, gehörte Gayk dem erweiterten Bezirksvorstand an, und im Mai 1948 wurde er zum Vorsitzenden der Bezirksorganisation gewählt. In dieser Eigenschaft erlebte er im Juli 1954 auf dem Bezirksparteitag den Zusammenschluss mit der 1946 abgespalteten Sozialdemokratischen Partei Flensburg (SPF).
Auf Andreas Gayks Initiative hin wurde auch die ''[[Kieler Woche]]'' erneut ins Leben gerufen. Sie fand 1946 und 1947 ausschließlich für Mitglieder der Besatzungsmächte statt; die Stadtverwaltung organisierte in diesen Jahren die "Septemberwoche - Kiel im Aufbau", eine Kulturwoche, in deren Zentrum Frieden, Humanität und Völkerverständigung "über alle Grenzen der Nationen und Parteien hinweg" standen. Ab [[1948]] wurden die beiden Veranstaltungen auf einem Sommertermin zusammengelegt; der von Gayk formulierte Anspruch besteht bis heute.  


Am 11. Mai 1946 wählten die Delegierten des Parteitages in Hannover Andreas Gayk in den Parteivorstand. Seine erste Wiederwahl als Beisitzer erfolgte auf dem Nürnberger Parteitag (29. Juni bis 2. Juli 1947). Vorstandsmitglied blieb er bis zu seinem Tod. Auf dem Düsseldorfer Parteitag (11.-14. September 1948) verlas Gayk für den erkrankten Kurt Schumacher dessen programmatische Rede. Manche Delegierte erblickten in ihm den sogenannten Kronprinzen der Partei. Nach dem Tod von Schumacher im Jahr 1952 wiederholten sich die Spekulationen über eine Wahl Gayks zum Parteivorsitzenden.<ref>Dokumentarteil, In: Jensen u. Rickers: Andreas Gayk. S. 249 (SPF) u. 219-222.</ref>
Nicht zuletzt war es Andreas Gayk, der aufgrund der Begegnung mit einem britischen Besatzungsoffizier, der aus dem von deutschen Bombern zerstörten Coventry stammte, sich aber weit über seine dienstlichen Pflichten hinaus für den Wiederaufbau Kiels einsetzte, Kontakte nach Coventry suchte. Sie wurden erwidert und führten am [[2. April]] [[1947]] zur Gründung der ''[[Gesellschaft der Freunde Coventrys]]''.<ref>Geckeler, Christa: ''[https://www.kiel.de/de/bildung_wissenschaft/stadtarchiv/erinnerungstage.php?id=70 Kieler Erinnerungstag: 2. April 1947 Gründung der "Gesellschaft der Freunde Coventrys"]'', abgerufen 10. Februar 2018</ref> Der Verein bestand nicht lange; aber aus dieser Initiative, die von allen Bereichen der Gesellschaft - Stadtverwaltung, Universität, Schulen, Parteien, Gewerkschaften, Wirtschaft, Kirche und Jugendverbänden - getragen und von der Landesregierung unterstützt wurde, erwuchs später eine bis heute andauernde Partnerschaft der beiden Städte.


== Abgeordneter ==
===Testament===
Von 1945 bis 1950 gehörte Gayk der Kieler Ratsversammlung an. Stadtverordneter war er schon vor dem Zweiten Weltkrieg seit 1927 gewesen.
In seinem Testament verfügte Andreas Gayk die Schaffung eines Wandreliefs im Hauptkorridor des Rathauses als bleibende Erinnerung an die Aufbauleistung der Kieler Bevölkerung nach 1945. Das achtteilige Kunstwerk aus Sandstein wurde von den Künstlern [[Alwin Blaue]] und [[Fritz During]] geschaffen und zur Kieler Woche [[1957]] eingeweiht. Die acht Felder tragen die Titel „Lebensangst“, „Bombenopfer“, „Trümmerräumung“, „Trümmerbegrünung“, „Schiffbau“, „Der schaffende Mensch“, „Kieler Woche“ und „Jugend“.<ref>Geckeler, Christa: ''[https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=16 Kieler Erinnerungstage: 24. Juni 1957 | Einweihung des Reliefs Bürger bauen eine neue Stadt]'', abgerufen 15. Dezember 2020</ref>


Vom 26. Februar 1946 bis zum 9. April 1947 gehörte er dem Ernannten Landtag in beiden Ernennungsperioden an. Am 20. April 1947 erfolgte seine Wahl in den schleswig-holsteinischen Landtag. Vom 26. Februar bis zum 11. November 1946 war Gayk Vorsitzender des Landtagsausschusses für Landesplanung und vom 11. April 1946 bis zum 10. Oktober 1950 Vorsitzender der SPD-Fraktion. Gayk war stets als direkt gewählter Abgeordneter des [[Wahlkreis Kiel-Ost|Wahlkreises Kiel-Ost]] in den Landtag eingezogen.
Er schrieb außerdem ein politisches Testament, in dem er die Grundlagen seines politischen Engagements zu fassen versuchte. Dort stehen die zeitlosen Sätze:
 
: "Wer praktische Politik treiben will, der muß sich auch mit der Sünde der Tat beflecken. Eine Partei, deren unmittelbares Ziel nicht die Eroberung der politischen Macht im Staate ist, um die wirklichkeitsnahen Ziele ihrer Wähler zu verwirklichen, eine solche Partei zieht sich auf das politische Altenteil zurück, sie gibt sich im Grunde selber auf."<ref>Geckeler, Christa: ''[https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=16 Kieler Erinnerungstage: 24. Juni 1957 | Einweihung des Reliefs Bürger bauen eine neue Stadt]'', abgerufen 15. Dezember 2020</ref>
Andreas Gayk war Mitglied des Parlamentarischen Rates, der in Bonn seit dem 1. September 1948 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ausarbeiten sollte. Gayk gehörte dem Fraktionsvorstand an.<ref>[[Petra Weber]]: ''Carlo Schmid''. München 1996, S. 353.</ref>
Gayks politisches Testament ist seit einigen Jahren gegenüber dem Wandrelief im Hauptkorridor des Rathauses ausgestellt.
 
== Öffentliche Ämter ==
Am 11. März 1946 wählte die von der Britischen Besatzungsmacht ernannte Ratsversammlung den Zeitungsherausgeber Willi Koch zum [[Oberbürgermeister]] und Andreas Gayk zum [[Bürgermeister]], der in dieser Eigenschaft das Amt für Stadtplanung und Wiederaufbau übernahm.
 
Am 13. Oktober 1946 wurde - erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg - die Ratsversammlung frei gewählt. In ihrer ersten Sitzung am 18. Oktober 1946 wählte sie Gayk zum [[Oberbürgermeister]]. Zu dieser Zeit hatte die von der Besatzungsmacht verfügte Kommunalordnung noch Gültigkeit: Der Oberbürgermeister war politischer Repräsentant und Vorsitzende der [[Ratsversammlung|Stadtverordnetenversammlung]], wogegen ein Oberstadtdirektor die Verwaltung leitete.
 
Nachdem der schleswig-holsteinische Landtag die Kommunalordnung revidiert hatte, kam es am 24. Oktober 1948 zu Neuwahlen in den Kreisen und Städten. Die neue Kieler Ratsversammlung wählte wiederum Andreas Gayk zum Oberbürgermeister. Eine nochmalige Revision der Kommunalordnung führte schließlich die Magistratsverfassung ein, so dass die Ratsversammlung Andreas Gayk am 20. Mai 1950 zum Oberbürgermeister mit einer Amtszeit von neun Jahren wählte.
 
In diesem Amt brachte Gayk es in der durch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs besonders schwer getroffenen Landeshauptstadt zu großem Ansehen. Er setzte sich vehement gegen die von der Britischen Besatzungsmacht geplante Demontage von Industrienanlagen ein. Unter dem Schlagwort ''Bürger bauen eine Stadt'' forcierte Gayk die Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau der zu 80 % zerstörten Stadt Kiel. Geräumte Trümmerflächen, die nicht sofort bebaut werden konnten, wurden nach seiner Idee mit Bäumen bepflanzt. Noch heute gibt es in Kiel einige Reste dieser sog. ''Gayk-Wäldchen''. Auf seine Initiative hin wurde auch die ''[[Kieler Woche]]'' erneut ins Leben gerufen.


== Ehrungen ==
== Ehrungen ==
Gayk wurde 1954 mit dem Großen Verdienstkreuz des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet.
[[Datei:Kranzniederlegung am Grab von Oberbürgermeister Andreas Gayk (Kiel 34.007).jpg|mini|hochkant|Ehrengrab auf dem Alten Urnenfriedhof (1964)]]
In Kiel ist die ''Andreas-Gayk-Straße'', eine wichtige Hauptverkehrsstraße im Stadtzentrum, nach ihm benannt. Sie ist in seiner Amtszeit im Rahmen des Wiederaufbaus neu angelegt worden und hatte zuvor ''Neue Straße'' geheißen.
* Gayk wurde 1954 mit dem Großen Verdienstkreuz des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet.
* In Kiel ist seit 1954 die [[Andreas-Gayk-Straße]] nach ihm benannt. Sie wurde in seiner Amtszeit im Rahmen des Wiederaufbaus neu angelegt.
* Zu seinen Ehren wurde 1970 die Stiftung der [[Andreas-Gayk-Medaille]] beschlossen. Sie ist die zweithöchste städtische Auszeichnung nach der Ehrenbürgerwürde der Stadt.
* Die Stadt Kiel widmete Gayk ein [[Ehrengrab]]. Es befindet sich auf dem Alten [[Urnenfriedhof]].<ref>[https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/friedhoefe/_$historische_graeber/ehrengraeber/gayk.php Ehrengrab Andreas Gayk] auf kiel.de, abgerufen 31. Dezember 2017</ref>
* Das 1970 in Fahrt gebrachte Fahrgastschiff der [[Kieler Verkehrsaktiengesellschaft]], die [[MS Andreas Gayk]], wurde nach ihm benannt.


Zu seinen Ehren wurde 1970 die Stiftung der Andreas-Gayk-Medaille,<ref>http://www.kiel.de/kultur/stadtgeschichte/Andreas-Gayk-Medaille.php</ref> der zweithöchsten städtischen Auszeichnung nach der Ehrenbürgerwürde in der Stadt Kiel beschlossen.<ref>http://www.kiel.de/rathaus/_meldungen/_meldung.php?id=8101</ref>
== Bilder ==
<gallery mode = slideshow>
Der junge Gayk.jpg
Bundesarchiv Bild 183-2005-0707-508, Kiel, Aufforstung durch Schuljugend.jpg|Schüler der Hebbel-Schule beim Pflanzen junger Bäumchen, 1948
Foto MS Andreas Gayk 1974.jpg|Fahrgastschiff ''Andreas Gayk'' vor der Anlegestelle Bahnhofsbrücke, 1974
Kiel Landtagsprojekt Schleswig-Holstein by-RaBoe-195.jpg|Andreas-Gayk-Büste im [[Rathaus]]
Datei:Gayk-Büste.png|Andreas-Gayk-Büste im [[Rathaus]]
</gallery>


== Literatur ==
== Literatur & Weblinks ==  
* W. L. Christiansen: ''Meine Geschichte der [[Sozialdemokratische Partei Flensburg|Sozialdemokratischen Partei Flensburg]]. Sozialdemokraten zwischen Deutsch und Dänisch 1945–1954''. Redaktion: Johann Runge. Herausgeber: Studieafdelingen an der Dansk Centralbibliotek für Sydslesvig, Flensburg 1993, ISBN 87-89178-12-2.
*[[Jürgen Jensen|Jensen, Jürgen]] / [[Karl Rickers|Rickers, Karl]] (Hrsg.): ''Andreas Gayk und seine Zeit. Erinnerungen an den Kieler Oberbürgermeister'' (Mitteilungen der [[Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte e.V.]], Band 61, Neumünster 1974)
* Jürgen Jensen, Karl Rickers (Hrsg.): ''Andreas Gayk und seine Zeit. 1893–1954. Erinnerungen an den Kieler Oberbürgermeister.'' Wachholtz, Neumünster 1974.
* {{Wikipedia}}
* [[Ida Hinz]]: ''Die Kinderrepublik Seekamp''. In: Christa Geckeler (Hrsg.): ''Erinnerungen an Kiel zwischen den Weltkriegen 1918/1939''. (Bd. 58 der Ges. für Kieler Stadtgeschichte). Husum Verlag, Husum 2007, ISBN 978-3-89876-342-4.
* {{SPDGeschichtswerkstatt}}
* Frank Lubowitz: ''Kiel kämpft um seine Lebensgrundlagen. Wiederaufbau und Demontage als zentrale Themen der kommunalen Selbstverwaltung''. In: Arbeitskreis Demokratische Geschichte (Hrsg.): ''Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950''. Neuer Malik, Kiel 1985.
* {{Commonscat|3=s}}
* [[Franz Osterroth]]: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein''. Herausgeber: Landesverband Schleswig-Holstein der SPD. Kiel o.J. (Vermutlich 1963).
* Hans-Ulrich Schilf: ''Der Aufbau der Kieler SPD 1945–1949''. In: Arbeitskreis Demokratische Geschichte (Hrsg.): ''Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950''. Neuer Malik, Kiel 1985.
 
== Historisches Tondokument ==
* ''Aufbau der Stadt Kiel''. Interview mit Andreas Gayk am 22. August 1952 (10:30 min.) In: Christa Geckeler, Jürgen Jensen (Hrsg.): ''Historische Tondokumente''. Vol. 1: ''Bürger bauen eine neue Stadt''. (CD 73:00 min.) Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 2002.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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|GEBURTSDATUM=11. Oktober 1893
|GEBURTSORT=Gaarden
|STERBEDATUM=1. Oktober 1954
|STERBEORT=Kiel
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Aktuelle Version vom 23. März 2024, 17:05 Uhr

Andreas Gayk im Oktober 1948

Andreas Gayk (* 11. Oktober 1893 in Kiel; † 1. Oktober 1954 in Kiel) war ein deutscher Politiker (SPD). Er war ab 1946 Oberbürgermeister von Kiel[1] und wirkte am Wiederaufbau der durch Luftangriffe zerstörten Stadt entscheidend mit.[2]

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Andreas Gayk wuchs in der Kieler Arbeiterbewegung auf. Häufig heißt es, er sei im Dorf Gaarden geboren. Nach Recherchen des Kieler Stadtarchivs vom August 2015 wohnte die Familie 1893 jedoch in der Annenstraße 7a in Kiel und zog erst ca. 1901 nach Gaarden, um die Zeit, als das Dorf in das Kieler Stadtgebiet eingemeindet wurde. Er machte eine praktische Ausbildung als Journalist und war früh bei der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung tätig.

Familie Gayk 1934 in Berlin

Schon in der Weimarer Republik wurde er 1927 für die SPD zum Stadtverordneten gewählt. Er war auch führend beteiligt an der Idee und Organisation der Kinderrepublik Seekamp, die im Sommer 1927 auf dem Gelände der städtischen Domäne Seekamp in Schilksee stattfand.[3]

Während der NS-Herrschaft war er in Widerstandsgruppen aktiv und zog, um Nachstellungen der Kieler Gestapo zu entgehen, mit seiner Familie in das anonymere Berlin. Anfang 1945 konnte er nach Schleswig-Holstein zurückkehren und entging so dem Endkampf um die Hauptstadt, wo er als Hilfspolizist dienstverpflichtet war. Seine beiden Söhne starben als Soldaten im Krieg.[4]

Von 1945 bis 1950 gehörte Andreas Gayk erneut der Kieler Ratsversammlung an, vom 26. Februar 1946 bis zu seinem Tod auch dem - zunächst ernannten - schleswig-holsteinischen Landtag. Außerdem vertrat er die SPD im Parlamentarischen Rat und gehört somit zu den "Vätern" des Grundgesetzes. Eine Bundestagskandidatur oder ein Amt auf der Bundesebene seiner Partei - er war 1952 nach dem Tod von von Kurt Schumacher als stellvertretender Parteivorsitzender im Gespräch - lehnte er jedoch ab. Er verstand sich nach eigenem Bekunden vor allem als Kommunalpolitiker.

Oberbürgermeister[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine bleibende Leistung vollbrachte Andreas Gayk als Kieler Oberbürgermeister der Nachkriegszeit. Unter dem Schlagwort Bürger bauen eine Stadt forcierte er die Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau der zu 80 % zerstörten Stadt Kiel. Geräumte Trümmerflächen, die nicht sofort bebaut werden konnten, wurden nach seiner Idee mit Bäumen bepflanzt. Noch heute gibt es in Kiel einige Reste dieser sog. Gayk-Wäldchen.

Er riskierte Konflikte mit der britischen Militärverwaltung und führte die Proteste gegen deren Sprengungs- und Demontagepolitik an; für den Satz "Vorher hatten wir die Braunen, und nun haben wir die englische Krankheit!" erhielt er von den Briten Redeverbot, das erst kurz vor einer wichtigen Wahlkundgebung aufgehoben wurde.[5] Gegen die Demontage der Holmag-Werke in Friedrichsort wehrte er sich mit der Drohung "Und wenn hier die Hallen gesprengt werden sollen, dann mit mir."[6] Die Drohung blieb erfolglos, aber solche Aktionen und Äußerungen begründeten seinen legendären Ruf bei der Kieler Bevölkerung.

Er arbeitete daran, Kiel mit der Ansiedlung von Friedensindustrien eine neue Lebensgrundlage zu schaffen. Bei den Besatzungsbehörden erreichte er, dass ziviler Schiffbau in beschränktem Umfang wieder erlaubt wurde, und er förderte die Seefischerei. Nach und nach siedelten sich Betriebe für Fischverarbeitung, Maschinenbau, Fein- und Elektromechanik sowie Textilherstellung an, die Arbeitslosigkeit in Kiel ging zurück.

Auf Andreas Gayks Initiative hin wurde auch die Kieler Woche erneut ins Leben gerufen. Sie fand 1946 und 1947 ausschließlich für Mitglieder der Besatzungsmächte statt; die Stadtverwaltung organisierte in diesen Jahren die "Septemberwoche - Kiel im Aufbau", eine Kulturwoche, in deren Zentrum Frieden, Humanität und Völkerverständigung "über alle Grenzen der Nationen und Parteien hinweg" standen. Ab 1948 wurden die beiden Veranstaltungen auf einem Sommertermin zusammengelegt; der von Gayk formulierte Anspruch besteht bis heute.

Nicht zuletzt war es Andreas Gayk, der aufgrund der Begegnung mit einem britischen Besatzungsoffizier, der aus dem von deutschen Bombern zerstörten Coventry stammte, sich aber weit über seine dienstlichen Pflichten hinaus für den Wiederaufbau Kiels einsetzte, Kontakte nach Coventry suchte. Sie wurden erwidert und führten am 2. April 1947 zur Gründung der Gesellschaft der Freunde Coventrys.[7] Der Verein bestand nicht lange; aber aus dieser Initiative, die von allen Bereichen der Gesellschaft - Stadtverwaltung, Universität, Schulen, Parteien, Gewerkschaften, Wirtschaft, Kirche und Jugendverbänden - getragen und von der Landesregierung unterstützt wurde, erwuchs später eine bis heute andauernde Partnerschaft der beiden Städte.

Testament[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinem Testament verfügte Andreas Gayk die Schaffung eines Wandreliefs im Hauptkorridor des Rathauses als bleibende Erinnerung an die Aufbauleistung der Kieler Bevölkerung nach 1945. Das achtteilige Kunstwerk aus Sandstein wurde von den Künstlern Alwin Blaue und Fritz During geschaffen und zur Kieler Woche 1957 eingeweiht. Die acht Felder tragen die Titel „Lebensangst“, „Bombenopfer“, „Trümmerräumung“, „Trümmerbegrünung“, „Schiffbau“, „Der schaffende Mensch“, „Kieler Woche“ und „Jugend“.[8]

Er schrieb außerdem ein politisches Testament, in dem er die Grundlagen seines politischen Engagements zu fassen versuchte. Dort stehen die zeitlosen Sätze:

"Wer praktische Politik treiben will, der muß sich auch mit der Sünde der Tat beflecken. Eine Partei, deren unmittelbares Ziel nicht die Eroberung der politischen Macht im Staate ist, um die wirklichkeitsnahen Ziele ihrer Wähler zu verwirklichen, eine solche Partei zieht sich auf das politische Altenteil zurück, sie gibt sich im Grunde selber auf."[9]

Gayks politisches Testament ist seit einigen Jahren gegenüber dem Wandrelief im Hauptkorridor des Rathauses ausgestellt.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehrengrab auf dem Alten Urnenfriedhof (1964)
  • Gayk wurde 1954 mit dem Großen Verdienstkreuz des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet.
  • In Kiel ist seit 1954 die Andreas-Gayk-Straße nach ihm benannt. Sie wurde in seiner Amtszeit im Rahmen des Wiederaufbaus neu angelegt.
  • Zu seinen Ehren wurde 1970 die Stiftung der Andreas-Gayk-Medaille beschlossen. Sie ist die zweithöchste städtische Auszeichnung nach der Ehrenbürgerwürde der Stadt.
  • Die Stadt Kiel widmete Gayk ein Ehrengrab. Es befindet sich auf dem Alten Urnenfriedhof.[10]
  • Das 1970 in Fahrt gebrachte Fahrgastschiff der Kieler Verkehrsaktiengesellschaft, die MS Andreas Gayk, wurde nach ihm benannt.

Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur & Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister auf kiel.de, abgerufen am 20. März 2024
  2. Wikipedia: „Andreas Gayk“
  3. Vgl. hierzu den gleichnamigen Eintrag in der SPD-Geschichtswerkstatt.
  4. Zur NS-Zeit vgl. den Eintrag zu Andreas Gayk in der SPD-Geschichtswerkstatt.
  5. Vgl. Seit der ersten Stunde dabei: Ida Hinz, Kieler Nachrichten, 12. Oktober 1971
  6. So bei Franke, Egon: Ein leidenschaftlicher Sozialdemokrat. In: Jensen, Jürgen / Rickers, Karl (Hrsg.): Andreas Gayk und seine Zeit. Erinnerungen an den Kieler Oberbürgermeister (Neumünster 1974), S. 93
  7. Geckeler, Christa: Kieler Erinnerungstag: 2. April 1947 Gründung der "Gesellschaft der Freunde Coventrys", abgerufen 10. Februar 2018
  8. Geckeler, Christa: Kieler Erinnerungstage: 24. Juni 1957 | Einweihung des Reliefs Bürger bauen eine neue Stadt, abgerufen 15. Dezember 2020
  9. Geckeler, Christa: Kieler Erinnerungstage: 24. Juni 1957 | Einweihung des Reliefs Bürger bauen eine neue Stadt, abgerufen 15. Dezember 2020
  10. Ehrengrab Andreas Gayk auf kiel.de, abgerufen 31. Dezember 2017