Luftangriffe auf Kiel

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Die Werft Deutsche Werke Kiel (DWK) wurde zwischen 1942 und 1945 zu zwei Dritteln zerstört. Im Hintergrund das Wrack des Schweren Kreuzers Admiral Hipper

Zahlreiche Luftangriffe auf Kiel zerstörten im Zweiten Weltkrieg zwischen Juli 1940 und Mai 1945 große Teile der Stadt. Bei 633 Vollalarmen und 90 Bombenangriffen starben 2 900 Menschen, unter ihnen auch zur Zwangsarbeit dorthin Gebrachte und Kriegsgefangene, sowie rund 200 Besatzungsmitglieder abgeschossener Flugzeuge.[1] Die Zahl der Alarme und Angriffe folgt der schon seit langem vorliegenden Quellenlage. Sie war nach neueren, bislang unbestätigten Quellen allerdings deutlich größer (937 bzw. 170). Wegen der noch laufenden Quellenauswertung können sich diese Zahlen künftig auch wieder ändern.

Mit rund 30 000 Tonnen abgeworfener Bomben lag Kiel an sechster Stelle der am schwersten betroffenen Ballungsräume in Deutschland. Nur Berlin (68 000 Tonnen), Köln (48 000), Hamburg (38 000), Essen (37 000) und Duisburg (31 000) wurden stärker bombardiert.

Die Angriffe geschahen arbeitsteilig: Meistens griffen US-Bomber tagsüber die Werften und andere Industrieanlagen an, während nachts die britische Royal Air Force die Wohngebiete bombardierte. Am Ende des Krieges waren die Industrie- und Hafenanlagen, die Militäreinrichtungen und die Wohngebiete ebenso wie die Versorgungs- und Verkehrs-Infrastruktur der Stadt weitgehend zerstört oder zumindest schwer beschädigt. Die Kirchen waren vollständig unbenutzbar, drei Viertel der Häuser waren zerstört oder beschädigt, 160 000 Menschen waren obdachlos geworden und 60 000 Arbeitsplätze vernichtet. [2]

Bei Kriegsende lagen in der Kieler Förde 242 registrierte Schiffswracks; die Kieler Förde galt danmals als der größte Schiffsfriedhof der Welt.

Der erste Luftangriff geschah am 2. Juli 1940, knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn, und forderte erste Opfer. Der letzte wurde in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 1945 geflogen, unmittelbar bevor am Folgetag erste britische Einheiten die Stadt erreichten. Er war gleichzeitig der letzte Bombenangriff des Krieges auf eine deutsche Stadt. Wenn Kiel auch ein Inferno wie die Angriffe auf Hamburg (24. Juli bis 3. August 1942) oder Dresden (13. und 14. Februar 1945) erspart blieb, so musste es doch am 26. August 1944 seinen schwersten Angriff erleben, bei dem in einem Flächenbombardement 800 Maschinen rund 300 Luftminen, 1 000 Spreng- und 100 000 Brandbomben abwarfen.

Details zu einzelnen Angriffen

1940

Bombenschaden in der Kreisleitung der NSDAP in der Gartenstraße
  • 2. Juli: Die ersten Bombenabwürfe des Zweiten Weltkriegs auf das Stadtgebiet fordern die ersten zwölf Opfer unter der Kieler Bevölkerung. Das Gebäude der NSDAP-Kreisleitung in der Gartenstraße wird zerstört.
  • 19. Oktober: Bei einem Luftangriff zwischen 2 und 4 Uhr sind keine Opfer zu beklagen und es kommt meist nur zu geringem Schaden. Allerdings richtet der erste Bombentreffer im Schloss schweren Schaden in der Landesbibliothek an.

1941

  • 18. März: In der Nacht auf den 19. März erfolgt einer der bis dahin schwersten Luftangriffe; u. a. wird das Gebäude der Landesblindenanstalt im Königsweg 80 durch einen Bombentreffer beschädigt.
  • 7. und 8. April:
    • Kurz vor Mitternacht beginnt der bisher schwerste Luftangriff auf eine deutsche Stadt während des Zweiten Weltkrieges. Er dauert fünf Stunden und trifft vor allem die Werften. Unter anderem wird bei dem Angriff auch das Reichshallen-Theater zerstört.
    • Am Abend wird Kiel nach den Angriffen in der vorangegangenen Nacht erneut bombardiert, dieses Mal das Westufer. In den beiden Nächten sterben 213 Menschen; 8 000 werden obdachlos.
  • Nacht vom 7. zum 8. Mai: Das Telemannsche Haus in der Haßstraße 1 wird zerstört.
  • 25. Juni: 48 Bomber (25 Bomber vom Typ Hampden und 23 vom Typ Wellington) der Royal Air Force greifen die Werftanlagen an. Eine Wellington-Maschine stürzt dabei ab.[3]

1942

  • 26. Februar: Nach mehreren Wochen Pause gibt es wieder einen Luftangriff. Kunsthalle, Seeburg, Universität und Universitätskliniken werden getroffen. Das Wohnschiff Monte Sarmiento brennt vollständig aus, 120-130 Personen finden dabei den Tod.
  • 26./27. Februar: Bei einem weiteren Angriff in der Nacht wird das Schlachtschiff Gneisenau im Schwimmdock der Deutschen Werke so getroffen, dass der vollständige Pulvervorrat des Turms A explodiert. Dies fordert 112 Todesopfer.

1943

  • 14. Mai: Bei einem Luftangriff erhalten Gebäude der Kriegsmarinewerft Bombentreffer. Der Hauptbahnhof wird erneut schwer beschädigt und das Fördeschiff MS Stadt Kiel wird versenkt. Bei dem nur knapp einstündigen Angriff sterben 368 Menschen, 751 werden verletzt oder bleiben vermisst. Es handelt sich um den bis dahin schwersten Angriff und den zweitschwersten des gesamten Krieges.
  • 17. Mai: Bei einem Bombenangriff werden die Bauernstellen Horn, Holst und Först durch Brandbomben zerstört.
  • 29. Juli: Bei einem Tagesangriff wird das Schwimmdock der Germaniawerft versenkt.
  • 13. Dezember: Die Heiliggeistkirche und das Alte Rathaus werden bei einem Tagesangriff zwischen 12 und 14 Uhr weitgehend zerstört. Das Karstadt-Haus in der Holstenstraße brennt, die Nikolaikirche wird unbenutzbar. Das Stadttheater und daneben das Rathaus werden schwer getroffen.

1944

Volltreffer in der Küterstraße

1945

Hauptbahnhof und St.-Jürgen-Kirche
  • 3. April: Bei dem Angriff werden unter anderem 12 Schiffe versenkt, darunter der Passagierdampfer New York.
    Im Bunker in der Moltkestraße sterben 230 Menschen, teils durch eine Sprengbombe am Bunkereingang, teils an Kohlenmonoxidvergiftung wegen der im Bunker umgestürzten Öfen.[4] Nach anderen Quellen handelt es sich nicht um einen Bunker, sondern um einen noch nicht fertiggestellten Luftschutzstollen, in dem sich gar keine Öfen befinden. Demnach sterben die Opfer an Sauerstoffmangel und giftigen Gasen. Außerdem wird dort als Datum der Folgetag angegeben.[5] Dieser Angriff ist mit 395 Todesopfern der schwerste des ganzen Krieges.
  • 4. April: Die Lutherkirche am Schrevenpark wird zerstört.
  • 5. April: Durch ihre Nähe zum Hauptbahnhof wird auch die St.-Jürgen-Kirche vollständig ausgebombt.
  • 9. April: Der schwere Kreuzer Admiral Scheer kentert nach fünf Bombentreffern im äußeren Bauhafen der Deutschen Werke Kiel. Nach Kriegsende wird das Wrack nur teilweise entfernt und das Werftbecken mit Trümmerschutt verfüllt; 60 % des Schiffes liegen dort noch heute unter der nicht bebauten Fläche unmittelbar neben der Zufahrt zum Marinearsenal.
    Beim selben Angriff wird auch das als Freilichtmuseum dienende Ellerbeker Fischerhaus im Werftpark zerstört. Die Vicelinkirche in der Harmsstraße wird getroffen, ein paar Tage später muss der Turm gesprengt werden.
  • 3. Mai: In der Nacht zum 4. Mai ereignet sich der letzte Bombenangriff des Krieges; eine Bombe durchschlägt den Mittelbau des Rathauses bis zum Keller. Am Folgetag erreichen erste britische Einheiten die Stadt.

Details zu beschädigten und versenkten Schiffen

  • Seit dem 21. Dezember 1939 diente die Monte Sarmiento der Reederei HSDG der deutschen Kriegsmarine in Kiel als Wohnschiff. Am 26. Februar 1942 wurde die Monte Sarmiento während des alliierten Bombenangriffs getroffen und sank. 1943 wurde das Wrack gehoben, nach Hamburg geschleppt und verschrottet. (Quelle: Jensen „Kriegsschauplatz Kiel“, SVKStG, Band 23, 1995, Seite 17/18), (Quelle: Wikipedia, Monte Sarmiento Schiff, 1924) Die Zahl der Todesopfer wird bei Jensen mit 120 – 130 und bei Wikipedia lediglich mit 38 angegeben.
  • Der Fördedampfer MS Stadt Kiel sinkt nach einem Bombentreffer an seinem Liegeplatz vor der Fischhalle. Sieben eingeschlossene Besatzungsmitglieder können nach Hebung des Schiffes nur noch tot geborgen werden. (Quelle: Dallmann / Jensen „Meldungen vom Kieler Kriegsschauplatz“, SVKStG, Band 92, 2020, Seite 130)
  • Das am 30. Juni 1936 von der Reederei HSDG übernommene Passagiermotorschiff MS General Osorio wurde ab dem 10. April 1940 von der Kriegsmarine als Wohnschiff in Kiel genutzt. Am 24. Juli 1944 lag die General Osorio Am Liegeplatz 2 der Deutschen Werke in Kiel und erhielt einen Bombentreffer, brannte teilweise aus und sank mit dem Achterschiff. Im Oktober 1944 wurde das Wrack der MS General Osorio wieder schwimmfähig gemacht, und provisorisch repariert. (Quelle: Dallmann / Jensen „Meldungen vom Kieler Kriegsschauplatz“, SVKStG, Band 92, 2020, Seite 301) (Quelle: Wikipedia, General Osorio, Schiff, 1929)
  • Bei dem Tagesangriff am 30. August 1944 wurde das seit 1940 von der Kriegsmarine genutzte Wohnschiff St. Louis von drei Bomben getroffen. Als Folge der Bombentreffer brach auf dem Schiff ein Feuer aus. Um das beschädigte Schiff zu retten, wurde es am 2. September kontrolliert auf Strand gesetzt. Das Passagiermotorschiff MS St. Louis wurde 1929 von der Hamburg-Amerika Linie in Dienst gestellt. Die St. Louis wurde unter der Führung von Kapitän Gustav Schröder durch die vom 13. Mai 1939 bis 17. Juni 1939 dauernde Reise mit jüdischen Emigranten bekannt. 1946 wurde das Wrack notdürftig repariert und nach Hamburg geschleppt. Von April 1947 bis April 1950 lag die St. Louis als Hotelschiff an den Altonaer Landungsbrücken. 1952 wurde die St. Louis in Bremerhaven abgewrackt. (Quelle: Dallmann / Jensen „Meldungen vom Kieler Kriegsschauplatz“, SVKStG, Band 92, 2020, Seite 359) (Quelle: Wikipedia, St. Louis, Schiff, 1929) (Quelle: Kludas / Bischoff, Schiffe der Hamburg-Amerika Linie 1927-1970, 1981, Seite 32)
  • Die Monte Olivia der Reederei HSDG wurde nach dem erfolgreichen Blockadedurchbruch von Januar 1940 bis Januar 1945 als Wohnschiff von der Kriegsmarine genutzt. Ab Mitte Februar 1945 wurde sie dann als Lazarettschiff und für den Transport von Verwundeten eingesetzt. Am 3. April 1942 wurde die Monte Olivia im Kieler Scheerhafen während des Bombenangriffs getroffen und sank. Die Besatzung konnte gerettet werden. 1946 wurde das Wrack in Kiel verschrottet. (Quelle: Dallmann / Jensen „Meldungen vom Kieler Kriegsschauplatz“, SVKStG, Band 92, 2020, Seite 385) (Quelle: Wikipedia, Monte Klasse, 1924)
  • Bei einem, weiteren Luftangriff amerikanischer Bomber auf Kiel wurde die TS New York auf der Kieler Förde vor Bellevue schwer getroffen und kenterte brennend. Die New York war seit Dezember 1941 in Kiel als Wohnschiff der Kriegsmarine stationiert. Sie gehörte der Hamburg-Amerika Linie HAPAG und war das vierte Schiff der Albert Ballin Klasse. Das auf der Seite liegende Wrack wurde am 21. März 1949 wieder aufgerichtet und abgedichtet. Anschließend wurde die TS New York durch den Nord-Ostseekanal nach England überführt und dort verschrottet. (Quellen: Dallmann / Jensen „Meldungen vom Kieler Kriegsschauplatz“, SVKStG, Band 92, 2020, Seite 386 / wikipedia.org/wiki/New_York_Schiff,_1927)
  • Der 1924 für die Reederei W. Schuchmann in Tecklenborg gebaute Bergungsschlepper MS Seefalke wurde bei einem Tagesangriff an seinem Liegeplatz am Ausrüstungsbecken der Deutschen Werke versenkt. Seit Kriegsbeginn war der Bergungsschlepper bei der Kriegsmarine im Einsatz. Nach der Versenkung untersuchte die Reederei, um eine spätere Bergung vorzubereiten das Wrack. Noch bevor die britischen Besatzer mit der geplanten Verfüllung des Ausrüstungsbeckens begannen gelang es der Reederei, trotz Verbot, das Wrack zu heben und in der Strander Bucht erneut zu versenken. 1950, nach Aufhebung der Bergungsverbote wurde der Bergungsschlepper erneut gehoben und in Bremerhaven repariert. (Quelle: Dallmann / Jensen „Meldungen vom Kieler Kriegsschauplatz“, SVKStG, Band 92, 2020, Seite 385), (Quelle: http://werften.fischtown.de/archiv/seefalke.html), (Quelle: http://www.dsm.museum/seefalke) (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Seefalke, Schiff 1924) (Quelle: Schnake, Geschichte der Schleppschiffahrt, Band 2, 1992, Seite 29 / 36)
  • Das im Oktober 1944 gehobene und reparierte Wohnschiff M/S General Osorio wirde bei einem Luftangriff erneut getroffen und versenkt. Das Wrack wurde am 29. August 1947 gehoben, provisorisch abgedichtet und bei den Howaldtswerken im Werk Dietrichsdorf für die Überführung nach England vorbereitet. Die General Osorio erreichte England am 07. September 1947 und wurde dort verschrottet. (Quelle, www.wlb-stuttgart.de/seekrieg, 8.-10.4.1945, Luftkrieg Deutschland) (Quelle, www.shipsnostalgia.com/media/general-osorio.164515)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Boelck, Detlef: Kiel im Luftkrieg 1939-1945, Kiel (Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Sonderveröffentlichung 13) o. J.
  2. Wikipedia: „Luftangriffe auf Kiel“
  3. Tweet von RAF Bomber War: https://twitter.com/RAF_Bomber_War/status/746780858720321536?s=03
  4. Bericht zum Luftangriff vom 03. April 1945 bei spurensuchesh.de, gelesen am 23. Juli 2017
  5. Luftschutzstollen Sternwarte Moltkestraße bei bunker-kiel.com, gelesen am 23. Juli 2017