Stadtdörfer

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Bauer mit Pferdefuhrwagen auf einer Landstraße in Schleswig-Holstein um 1927

Stadtdörfer[1] waren im Mittelalter und in der Neuzeit Dörfer[2], die der gesamten Bürgerschaft gehörten und ihre Beiträge zur Stadtkasse entrichteten. Als eigentliche Stadtdörfer waren sie Bestandteil der Kämmereieinkünfte.
Ebenfalls als Stadtdörfer im weiten Sinne bezeichnet wurden Dörfer, die Pfarrkirchen, Klöstern und anderen Stiften, Hospitälern und Armenhäusern, Schulen und Universitäten gehörten, welche ihren Sitz in einer Stadt hatten.

Ein Stadtdorf gehörte ursprünglich meist zum Besitz eines Landesherrn oder einer Adelsfamilie oder es gehörte zu einem Lehen oder - im Zuge der Entwicklung der Grund- zur Gutsherrschaft - zu einem adligen Gut[3], das dann gestiftet oder verkauft wurde. Die Motivation konnte sowohl religiös (Sicherung des eigenen Seelenheils) als auch wirtschaftlich oder politisch sein.[4]

Heute wird der Begriff Stadtdorf vereinzelt für ein lokal bedeutendes Dorf oder eines mit mehr als 2000 Einwohnern (Großdorf) verwendet.[5]

Manche Stadtteile und Stadtwohngebiete werden ebenfalls als "Stadtdorf“ bezeichnet: Sei es durch die Entwicklungsgeschichte der Ortsteile; sei es, dass sie ihren dörflichen und (vermeintlich) idyllischen Charakter bewahren oder durch bauliche Stadtentwicklung (wieder-) herstellen.
Man versucht, die "dörflichen Merkmale" - wie naturnahes Wohnen, wohnortnahe Nahversorgungs- und Dienstleistungsangebote, Einrichtungen der sozialen, bildungs- und freizeitbezogenen Infrastruktur, Nachbarschaftsbeziehungen - mit den schnellen Verbindungen mit der Innenstadt und mit den Arbeitsorten zu verknüpfen. So z. B. „Meimersdorf und Moorsee Wir planen das StadtDorf“ in Kiel.[6].

Ehemalige Kieler Stadtdörfer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kieler Stadtdörfer waren ab Ende des 13. Jahrhundert Bauerndörfer oder Teile ihrer Ländereien, die durch Kauf und Schenkung vorrangig in das Treuhandeigentum der Stadt Kiel kamen und deren Erträge zur Finanzierung der Armenpflege dienten.

Von den bekannten Stadtdörfern (mit dem Hof Hammer, Demühlen und Teilen von Brunswik) sind heute zehn zu Kieler Stadtteilen geworden.

Laut Friedrich Volbehr sind die folgenden Stadtdörfer im "Verzeichniß der Namen Collegii E. E. Rath auch der deputirten Bürgerschaft Collegii XVIr und XXXIIr zum Kiel" aufgeführt[7]:

  • Kopperpael (Kopperpahl im heutigen Kronshagen) scheint das erste Stadtdorf zu sein. Der Rat der Stadt Kiel kaufte es im Jahr 1297 für das Heiligengeisthospital „mit Allmosen frommer Leute“ von den Gebrüdern Gerhard und Lüder von Bremen.[8]
  • Welgendorp (Wellendorf, heute Wellingdorf) erwarb 1315 der Stadtrat mit der Hölzungen Brook für das Heiligengeisthospital von dem Burgmann Conrad von Bremen.[9], vermutlich ein Burglehn als Entlohnung für seinen Dienst in der Kieler Burg.[10]
  • In dem selben Jahr und im Jahr 1334 kaufte der Kieler Rat Teile des Dorfes Kronshagen für das Heiligengeisthospital.
  • Das Dorf Wiegk (Wyk, heute Wik) schenkte im Jahr 1317 Graf Johann II. der Einäugige (* 1253; † 1321) dem Heiligengeisthospital „zur Erlösung seiner Seelen“.[11]
  • Ebenfalls ein Burglehn war das Dorf Haßsehe (Hertese, Hartsehe, heute Hassee): Teile davon schenkte Graf Johann III der Milde (* um 1297; † 27. September 1359) dem Heiligengeisthospital „zur Erlösung seiner Seelen“. Der Ritter Timm Emken überließ einen anderen Teil 1348 dem Hospital.[13]
  • Gremerstorff (heute Gremersdorf) im Land Oldenburg (Ostholstein) verkauften die sechs Brüder von Siggen 1377 an das Heiligengeist- und das St.-Jürgen-Hospital. Als entferntestes Stadtdorf liegt es nicht in der Umgebung Kiels.
  • Der Erbpachthof Hammer (Hamere), wahrscheinlich ursprünglich ein Dorf, war im 14. Jahrhundert an die Kieler Stiftungen gekommen. In einer Urkunde vom Jahre 1469 bestätigte der Herzog von Holstein, der dänische König Christian I., dem Heiligengeisthospital den Besitz des Hofes.[16]
  • Diricksstorpff (Dietrichsdorf) und Mönnekeberge (Mönkeberg) hatte der Rat der Stadt Kiel für die Heiligengeist- und St.-Jürgen-Stiftungen von den Gebrüder Wahlstorf und Hennecke Rantzau im Jahr 1420 gekauft, vermutlich unter Vorbehalt des Rückkaufs.
    Claus Rantzau forderte die Rückgabe, die aber die Stadt Kiel verweigerte. Bis 1494 blieben diese Güter im Besitz der Stiftungen. Rantzau erwirkte 1465 die Genehmigung des Königs Christian I., die Streitsache vor dem Landtag zu bringen, der 1494 die beiden Dörfer gegen Zahlung von 800 Mark Rantzau zusprach.[17]
  • Boecksehe (Buckze, heute Boksee) und Barkow (Borkowe, Deutsch Boksee, heute Klein-Barkau) verkaufte der Knappe Eggert Muggel 1447 an das Heiligengeisthospital. Ein Teil des jetzigen Kirchbarkau wurde 1459 von dem Magistrat des Stadt Kiel an die Vorsteher der Kirche zu Barkau verkauft. Der mit besonderen Privilegien versehenen Hof Boksee ist um 1667 in Beziehung zur Stadt Kiel gekommen, die jedoch wieder gelöst wurde.[18]
  • Die letzten Erwerbungen für das Heiligengeisthospital waren um 1452 durch den Ankauf von Rußsehe (Russee) mit Devemöhlen (Demühlen) und Oddendorff (Ottendorf), die im Besitz von Klaus und Kai Rantzau waren.[19]
  • Teile von Gahrden (Dorfgarten) mit dem Dorf Wulwesbok (Fürstlich Gaarden) verkaufte 1462 Marquard Wulf an das St.-Jürgen-Kloster (der Kieler Anteil von Gaarden, heute Gaarden-Süd).[20]

In seiner "Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek" (1841) erwähnt Johann von Schröder (* 1793, † 1862) folgende Dörfer und Teile ihrer Ländereien:

  • Brunswik war nach von Schröder vormals ein „adeliges Dorf“. Im Jahre 1350 schenkte der Ritter Nicolaus Split von seinen Gütern den Kielern einen Platz vor dem Dänischen Tor für einem Kirchhof und die Stadt Kiel stiftete dort eine Kapelle.[21] Es mag sein, dass es sich um einen Teil eines Burglehns des Ritters in der Nähe des Bauerndorfes Brunswik handelte.
    Im Jahre 1444 überließ Otto Wulfsen von Pogwisch (*1382, † 1448), der nach von Schröder einen Teil des Dorfes besaß, von seinen drei Höfen dem Kieler Rat "... anderthalb, für eine gewisse Geldsumme, zum Besten der Kieler Armen.[22]
  • Im Jahr 1356 verkaufte Iven Reventlow die Wassermühle, gelegen im Katendorf und heutigen Neumühlen an das Heiligengeisthospital.
  • Das Dorf Sucksdorf (auch Suxtorp geschrieben) verkaufte die Familie Von der Wisch im Jahr 1366 an die Kieler Ratherren Detlev Gripp und Claus Hargen.[23]. Das Dorf wurde in den von Volbehr erwähnten Verzeichniß der Namen Collegii E. E. Rath auch der deputirten Bürgerschaft Collegii XVIr und XXXIIr zum Kiel nicht aufgeführt, somit war Suchsdorf - zumindest nicht anfangs - kein Stadtdorf im weiteren Sinne eines der Kieler Hospitäler gewesen. Man weiß auch nicht, ob es ein eigentliches Stadtdorf für die gesamte Kieler Bürgerschaft war oder nur Eigentum der zwei Stadtherren vor der Erwähnung im Permutationkontrakt (s. u.).[24]

Nach der Gründung der Kieler Universität stammten die Finanzierungsmittel aus den Erträgen der Dörfer des Amtes Bordesholm, der sogenannten Universitätsdörfer, die damit im weiten Sinne Stadtdörfer waren.[25], u. a. die im Permutationsvertrag (s. u.) genannten Dörfer Rumor (heute Rumohr), Milekendorff (heute Mielkendorf), Molfsee, Foordt (heute Voorde), Lütjen und Großen Flindbeck (Vlintbeke, heute Flintbek) und Byßee (heute Bissee).[26]

Die Rolle der Stadtdörfer in der Kieler Armenpflege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Armenpflege[27] wurde im Mittelalter hauptsächlich von der Kirche organisiert und durchgeführt. Trägerschaft dieser Wohlfahrtspflege waren in Kiel insbesondere die Hospitäler[28] des Kieler Klosters (Heiligengeisthospital) und der St. Jürgen-Kirche, aber auch das St. Annen und Erasmi-Kloster und das Neugasthauskloster[29] und das Hospital der Gertrudenkapelle.[Anm. 3]

Zu den Armen und Bedürftigen zählten im Mittelalter nicht nur Menschen, deren Lebensumstände im materiellen Sinn existenziell bedrohlich und deren Einkommen (nach heutiger Definition) unterdurchschnittlich war. Dies betraf damals den größten Bevölkerungsanteil. Armut [30] bezog sich auch auf Bedürftige unabhängig von ihren Einkommen wie Witwen, Waisen, Kranke und alte Menschen, die Anspruch auf die Armenpflege und -versorgung hatten. Die Kranken- und Altenpflege war anfangs ein Teil der Armenpflege.

Im Spätmittelalter verlagerte sich die Finanzierung dieser milden Stiftungen der Armenpflege der Kirchen und Klöster auf die Städte und Gemeinden: Die Verwaltung der Stadtdörfer im weiteren Sinne lag in den „treuen Händen“ des Rates der Stadt Kiel.
Die mit der Reformation einhergehende Säkularisation der Klöster hatte zur Folge, dass die bisher von den Ordensgemeinschaften geleisteten karitativen Arbeiten verlagert wurden. Aus den mittelalterlichen Hospitälern entwickelten sich in der Frühen Neuzeit einerseits die eigentlichen Armenhäuser, die auch in Kiel mit Waisenhaus, Gefängnis, Krankenhaus und Arbeitshaus gekoppelt waren[31]. Zum anderen entstanden kirchliche und weltliche Altenheime, die als „Stift“ bezeichnet wurden und werden, in Kiel z. B. das Kaiser Wilhelm I. Stift

Die Einkünfte und Nutzungen der Stadtdörfer, ihre Erträge aus den Holzungen (Bau-und Brennholz, Schweinemast), aus den Fischereien mit Seen und Teichen, aus den Gärten und Ländereien (u. a. Getreide, Obst und Gemüse, Verpachtung von Wiesen und Weiden, Torfgewinnung aus Mooren) sollten zweckgebunden für die Pfarrkirchen, die Stifte und Armenhäuser und für die Bedürftigen verwendet werden.
Darüber hinaus wurden die Erträge der Stadtdörfer für die Besoldung von Kirchen-, Schul- und Stadtdienern wie bspw. des Armenvogts verwendet.
Zusätzlich erhielten bzw. nahmen Bürgermeister, Ratsherren und andere Bürger Zulagen in Geld und Sachen für ihre Verwaltungstätigkeiten, z. B. als Konsul, Inspektor und Vorsteher eines Hospitals.[32]

Für die ehemaligen Stadtdörfer änderten sich die Besitzverhältnisse und zugleich auch die politische und rechtliche Seite der Verwaltung des Kieler Rates durch die Pachtverträge und den Permutationskontrakt (1667).

Entwicklung der Kieler Stadtdörfer seit 1543[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

J. G. Krünitz (* 1728, † 1796) schrieb in seiner „Ökonomisch-technologische Enzyklopädie“, dass es Fälle gibt, „…, wo die Magisträte Dörfer der piorum corporum ehedem an ihre Renteyen zu bringen gewußt haben; oder sie gehören ... ursprünglich zu den Stadt= und Raths=Kämmereyen.[33]

Ein solcher Fall war die Verwaltung der Hospitäler, die willkürlich und vielfach im eigenen Interesse des Kieler Rates geführt wurden, und die Einkünfte der Stadtdörfer, die zweckfremd verwendet wurden. Das führte zu einem 20 Jahre lang anhaltenden Streit zwischen der Stadt Kiel und dem Herzog Adolf I. (* 1526, † 1586) und letztendlich zur Abtretung der Stadtdörfer.[34]

Der Machtverlust der Städte begann am Ende des 15. Jahrhunderts mit der stagnierenden Wirtschaft, dem langsamen Niedergang der Hanse und der Erstarkung der landesherrlichen Territorialgewalten.[35]
Im Verlauf des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts gelang es den schleswig-holsteinischen Herzögen, die älteren Privilegien der Stadt Kiel und des Kieler Rates schrittweise abzubauen, so bspw. die Einschränkung der (freiwilligen) Selbstverwaltung der Armenpflege. Aus einer privilegierten Stadt wurde eine erbuntertänige Stadt.[36]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Hohen Mittelalter war der Rat der Stadt Kiel als Vertretung der Bürgerschaft die einzige Obrigkeit für die freien Bürger:
Die Kaufmannssiedlung Kiel hatte durch ein Privileg des Grafen Johann I. (* um 1229, † 20. April 1263) lübisches Recht erhalten (1242) und der Kieler Rat durch ein Privileg des Grafen Johann III. der Milde u. a. das Recht, einen Stadtvogt als städtischen Beamten zu ernennen, statt eines herrschaftlichen Burgvogtes (1317). Damit war die Stadt aus dem gräflichen, später herzoglichen Gebiet herausgelöst und der Einfluss des Landesherren begann zu sinken. Es gab niemanden mehr, der im Namen der Landesherrschaft in der Stadt Kiel handelte.

Der Rat übte alle öffentlichen Rechte in der Stadt und außerhalb der Stadt im Stadtfeld und den eigentlichen Stadtdörfern aus, spätestens nach der Reformation auch in den Stadtdörfern der Hospitäler.
Als "geschlossener politischer Organismus" berührte sich die Stadt Kiel und ihre nahe Umgebung mit den freien Bürgern, Handwerkern, Hökern, Bauern und Tagelöhnern nur durch den Kieler Rat mit der öffentlichen Gewalt des Landesherren.

In der mittelalterlichen Stadt Kiel war die Wahl der Ratsherren durch die freien Bürger noch unbekannt. Der Rat war der einzige, der den Bürgern Befehle erteilen konnte, die Ratsherren (der "Stadtadel") waren die Herren der Stadt und wurden als domini bezeichnet. Sie bezogen zwar kein Gehalt, doch waren ihnen viele nutzbare Rechte vorbehalten.[37]

Aber die Einnahmen sanken, u. a. durch den endgültigen Ausschluss aus der Liste der Hansestädte im Jahr 1518. Der Kieler Rat fand einen Ersatz in den Einkünften der Stifte mit ihren Stadtdörfern. Die Ratsherren nutzten sie für die Kieler Stadtkämmerei und für ihre eigenen Interessen. Zugleich allerdings nahm die Zahl der Bedürftigen zu. Die Missstände brachten die Bürgerschaft auf und sie forderten eine Kontrolle der Finanzverwaltung, Abschaffung der Ratsprivilegien und Beteiligung an der Stadtregierung.[38]

Der Streit zwischen dem Kieler Rat und Herzog Adolf I. und die Pachtkontrakte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese Beschwerden und Forderungen nutzte Herzog Adolf I., seine Landesherrschaft politisch und ökonomisch zu festigen. Er wurde als vielseitiger, unternehmerischer Fürst beschrieben, der u. a. das Schloss im Renaissancestil umgestalten ließ, aber er klagte oft über die Armut seines Herzogtums.[39]. So muss man davon ausgehen, dass er sich selbst in den Besitz der Stadtdörfer setzen wollte, gegenüber der öffentlichen Gewalt der Stadt.[40]

Seit 1543 forderte der Landesherr eine Rechnungslegung vom Kieler Rat. Er warf dem Rat vor, mit den geistlichen Lehen und anderen Gütern ungebührlich umgegangen und Kirchen, Schulen, Stadtmauern und Feste verfallen lassen zu haben. Die policey, die gute Ordnung, werde nicht mehr gehalten.
Der herzogliche Kanzler Dr. Adam Tratziger[41] (* 1523; † 1584) berechnete den zum eigenen Vorteil des Kieler Rats verwendeten Betrag auf 100.000 Taler.
Doch der Kieler Rat folgte den Befehl des Herzog nicht und wandte in einem Schreiben ein, dass er nicht zur Rechnungslegung verpflichtet ist und die Forderung die Privilegien der Stadt Kiel und des Kieler Rates einschränkt.

Schließlich wandte sich Herzog Adolf 1579 in einem Beschwerdeschreiben über den Kieler Rat an Kaiser Maximilian II. (* 1527, † 1576). Im Antwortschreiben des Kaisers am 30. November 1570 hieß es, dass die Einkünfte und Nutzungrechte der Stadtdörfer nicht "privat Nutz", sondern alleine für die Pfarrkirchen und den Armen Spitalhaus verwendet werden müssen: „… Ir doch nit macht habet. … So bevehlen wir Euch hiemit aus Kayserlicher macht, gnedlich und Entlich das Ir aller und Jeder güeter Einkommen, so zu der Pfarrkirchen und dem Artmenhaus bey Euch eigenthumblich gehörig vorthin zu nichts anderen dann ainig zu der Kirchen und der Armen leut underhaltung und Nutz wendet, und es bei dem darzu es gestifftet beleiben lasset.“ (zitiert nach Volbehr ebd., S. 7)

Dieses kaiserliche Schreiben und die erneute Aufforderung des Herzogs zur Rechnungslegung wurde im Mai 1571 dem Kieler Rat übergeben. In der ‘‘Underthenige[n] Resolution eines Ersamen Raths der Stad Kyell uff des Kays. und Fl. Mandat und Monitoriall‘‘ schrieb der Kieler Rat, dass die Verwaltung der Stiftgüter ihm von Rechts wegen zusteht. Er verteidigte sich wider ihn erhobenen Beschuldigungen wie Unterschlagung von Brüch- und Strafgeldern und Pachtzinsen. Die Verwaltung war in „… „gebürlicher Ordnung und wie die seligen Vorfahren es gehalten“ … „daß sie bey dieser Armen Regierung die Sorge. Last und versäumnus getragen, als eigenthümliche Inhaber, gleich als ein Diener seinen Lohn, sich fürbehalten“, ...“ (zitiert nach Volbehr ebd., S. 8)
In dieser Resolution sah der Herzog aber keine Besserung und keine richtige Erklärung des Kieler Rates und drohte mit dem Verlust der Kieler Privilegien.

Nach 20 Jahren Widerstand schloss die Stadt Kiel schließlich 1572 den ersten, aus Sicht des Rates ungünstigen Pachtvertrag (Häuer Contract) mit dem Herzog ab:
Sämtliche Güter, Dörfer, Holzungen und mehr (die Stadtdörfer wurden nicht einzeln und namentlich aufgeführt) wurden auf 20 Jahre dem Herzog zur Miete von jährlich 800 lübsche Mark und Reallasten zusammen um 1200 Mark für den Unterhalt der Armen und den Kirchen- und Schuldiener.
Die Ansprüche und Anklagen gegen den Kieler Rat und andere Bürger wurden fallen gelassen. Der Kieler Rat behielt die Armenhäuser und der Herzog versprach, dass er und seine Erben die beiden Armenhäuser im baulichen Stand erhalten werde. Nach Ablauf der 20 Jahre solle, „… „wenn vor derenselben Ausgange kein ander Handel getroffen würde, das Eigenthum aller Güter bei dem Armen bleiben“ und dem Rath die Administration wieder übergeben werden.“ (zitiert nach Volbehr ebd., S. 12) Das allerdings geschah niemals: Die Stadtdörfer waren nur noch nominell Eigentum des Stadt, der Herzog Adolf und seine Nachfolger sahen sie als ihr Eigentum.

Herzog Friedrich II. (* 21. April 1568; † 15. Juni 1587) verschrieb seiner Mutter, der verwitweten Herzogin Christine (* 29. Juni 1543 in Kassel; † 13. Mai 1604 in Kiel), die Kieler Stiftgüter als Leibrente.
Bei Ablauf der Vertragszeit im Jahr 1592 verlangte Herzog Johann Adolf (* 27. Februar 1575 ; † 31. März 1616) eine Verlängerung. Anfänglich wenig geneigt, war der Kieler Rat mit der Verlängerung für die Lebenszeit der fürstlichen Witwe, einverstanden, „… jedoch mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass bei deren Tode „ohne alle ferneren defficulteten“ dem vorigen Vertrag nachgelebt werden solle.“(Volbehr ebd., S. 14)
Auch verlangte der Rat die Zusage von weiteren 400 Mark jährlich, entrichtet aus der Gottorfische Kammer „wegen der Verwaltung der Hospitalsgütern“.
Nach dem Tod der Herzogin Christine wurde jedoch der Pachtvertrag nochmals um 30 Jahre verlängert. Der Kieler Rat versuchte erfolglos, günstige Bedingungen zu erlangen, wie den Hof Hammer und das Dorf Russee mit dem Russeer See oder statt dessen das Dorf Schönkirchen zurückzuerhalten. Dagegen wurde der Pachtzins auf 1000 Mark und gleichfalls Zulage von 1000 Mark festgesetzt.

Herzog Christian Albrecht erneuerte den Pachtkontrakt 1663 auf 30 Jahre, In dieser Zeit wurde schon Kopperpahl mit dem Gut Kronshagen vereinigt, welches der herzogliche Kanzler Johann Adolph Kielmann von Kielmannsegg (* 15. Oktober 1612 in Itzehoe; † 8. Juli 1676 in Kopenhagen) erwarb.

Permutationskontrakt des Herzogs Christian Albrecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verbunden mit seiner bedenklichen finanziellen Lage zwang der Herzog im Jahr 1667 die Stadt Kiel durch den sogenannten Permutations-Kontrakt, sämtliche Dörfer „zu ewigen Zeit“ mit „… allen dazu mehr gehörigen Land und Leute ..., Recht und Gerechtigkeiten , …[42] abzutreten mit der Begründung, dass der eigentlich nur für bestimmte Zeit geschlossene Pachtkontrakt zu einen "perpetuierliche Zustand" geworden war.

Damit waren die meistens Kieler Stadtdörfer nicht nur nominell ein Teil des Amtes Kiel, auch wenn sie in dem Kirchspiel Kiel eingepfarrt blieben. Der jeweilige Amtsmann war zuständig, die Zahlungen und Reallasten an das Stadtkloster, an die Nikolaikirche und die Stadtschulen sowie die Zulagen in Geld und Sachen für die Bedürftigen, Lehrer, Geistlichen und Kirchenbedienten zu entrichten. Zusätzlich sollte die Gottorper Kammer jährlich 1000 Reichstaler für den Kieler Rat und für die Hospitäler zahlen.

Eine Sonderstellung hatte der Erbpachthof Hammer: Er blieb der "...Kieler Stadtjurisdiction untergeben, aber von der Contribution und sonstigen städtischen Abgaben befreit; auch ist er militairfrei, hat weder Korn noch Fourage an die Regierung zu liefern und ist frei von Wegelasten. - Die Abgaben dieses Hofes bestehen außer den Schulgeldern in einem jährlichen Canon von 150 Rthl. an die Kieler Stadtkämmerei. Beim Besitzwechsel ist ein Laudemium von 5 Species Ducaten an den Kieler Magistrat zu erlegen." [43]

Der Kieler Rat übte zwar die Verwaltung der Hospitäler aus, aber (im heutigen Sprachgebrauch) als Pflichtaufgaben, meistens nach Weisung der herzoglichen Verwaltung. Der Kieler Rat bemängelte häufig die nicht erhaltenen Zahlungen.

Als Schleswig-Holstein eine preußische Provinz geworden war, wurden die Zahlungen und Reallasten des Amtes Kiel aufgrund der Gebiets- und Verwaltungreform des preußischen Staates durch den Kreis Kiel abgelöst, die man auf etwa 66.000 Reichsmark jährlich schätzte.[44]

Die zweckgebunden Einkünfte und Erträge der ehemaligen Stadtdörfer und der landesherrlichen Ämter Kiel, Kronshagen und Bordesholm übernimmt heute teils das Land Schleswig-Holstein wie z. B. die Finanzierung der Kieler Universität. Aus dem Permutationskontrakt erhält das Kieler Stadtkloster bis heute von dem Land Schleswig-Holstein als Rechtsnachfolger jährlich 1000,23 €.[45]

Die Kämmereieinkünfte der ehemaligen Stadtdörfer, die als Stadtteile und Teile von Stadtteilen eingemeindet wurden, tragen heute mit Erträgen und Einnahmen (sowie Aufwendungen und Ausgaben) zur städtischen Finanzwirtschaft (zuständig das Amt für Finanzwirtschaft, vormalig die Stadtkämmerei) und damit u. a. zur kommunalen Sozial-, Jugend- und Gesundheitsverwaltung bei.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Von Schröder (von Schröder ebd,, Zweiter Theil, ebd.m S. 131) erwähnt, dass ein Peter Berser die andere Hälfte des Burglehns gehörte.
  2. Laut der Database med oplysninger om slægten Reventlow hatte Iven Reventlow in der Dorfschaft Schönkirchen ein Haus, das er als Mitgift für seine Ehefrau erwarb. Als der Graf Johann III. der Milde und sein Sohn Graf Adolf VII. der Milde (* um 1327, † 26. Januar 1390) das Dorf dem Heiligengeisthospital schenkte, verkaufte der Ritter es.
  3. Armenklöster hießen in Kiel nach der Reformation die Hospitäler und Armenhäuser, bspw. in den Schleswig-Holsteinische Provinzialberichten 1793 (book.google). Vermutlich durch ihre Verlegung auf das Gelände des ehemaligen Franziskanerklosters ging die Bezeichnung „Klöster“ auf die Hospitäler über, die in Urkunden erwähnt werden (Heiligengeistkloster, St. Jürgenkloster, St. Annen und Erasmi-Kloster bzw. St. Annenkloster und Neugasthauskloster), obwohl sie keine Klöster waren. Heute erinnert der Name der Stiftung Kieler Stadtkloster daran (siehe Geschichte der Stiftung)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm Leipzig 1854-1961,Band 17, Sp. 450 bis 451
  2. Wikipedia: „Dorf“
  3. Wikipedia: „Adliges Gut“
  4. Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Enzyklopädie, Band 33, 1784, S. 592 Kämmerey; Band 167, 1837, Stadtdorf (elektronische Ausgabe der Universitätsbibliothek Trier http://www.kruenitz.uni-trier.de/); Wikipedia: „Stift“
  5. Online-Lexikon der Geographie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2001
  6. Bereichsplanung Kieler Süden auf kiel.de, abgerufen am 22. Juni 2019
  7. Friedrich Volbehr, Zur Geschichte der ehemaligen Kieler Stadtdörfer in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 2 , Schmidt und Klaunig Kiel 1879, S.3 ff.
  8. Siehe auch Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Zweiter Theil J-Z, C. Fränckel Oldenburg (in Holstein) 1841, S. 47
  9. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 452
  10. Wikipedia: „Lehnswesen“
  11. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 464 f.
  12. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 131
  13. Siehe auch von Schröder ebd., Erster Theil, S. S. 282
  14. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 326
  15. Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 338; Nikolaus Falck, Neues staatsbürgerliches Magazin mit besonderer Rücksicht auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Band 8, gedruckt und verlegt im Königlichen Taubstummen-Institut Schleswig 1839, S. 173 (books.google.de)
  16. von Schröder ebd., Erster Theil, S.268
  17. Siehe auch von Schröder ebd., Erster Theil, S.144 (Dietrichsdorf) und Zweiter Theil, S. 125 (Mönkeberg)
  18. von Schröder ebd., Erster Theil, S. 37 und S.67
  19. von Schröder ebd., Zweiter Theil, S. 213 (Ottendorf) und S. 298 (Russee)
  20. Siehe von Schröder ebd., Erster Theil, S. 202
  21. Wilhelm Ernst Christiani, Geschichte der Herzogthümer Schleswig und Hollstein, Dritter Theil, Band 3, Kortenscher Buchhandlung Flensburg und Leipzig 1777, S. 451 (books.google)
  22. von Schröder ebd., Erster Theil, S.144 (Brunswik)
  23. von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 393. t
  24. Siehe auch von Schröder, ebd. Erster Theil, S. 80 (5. Die Aemter Bordesholm, Kiel und Cronshagen)
  25. Krünitz ebd., S. 592
  26. Volbehr ebd., S. 19
  27. Wikipedia: „Armenpflege“; Wikipedia: „Armenversorgung“
  28. Wikipedia: „Hospital“
  29. Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte / Siebenten Jahrgangs / erster Band; Leipzig bei J. F. Hammerich 1793, S. 304 ff. (book.google)
  30. Wikipedia: „Armut“; Wikipedia: „Armut im geschichtlichen Wandel: Mittelalter“
  31. Wikipedia: „Armenhaus“
  32. Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte 1793 ebd., S.306 (book.google); Volbehr ebd., S. 3 ff.
  33. Krünitz ebd, S. 592
  34. Volbehr ebd., S. 5 ff.
  35. Wikipedia: „Festigung der Macht der Territorialstaaten“
  36. Wikipedia: „Geschichte Kiels in der Frühen Neuzeit“
  37. Carl Rodenberg, Aus dem Kieler Leben im 14. und 15. Jahrhundert in Mittheilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Zwölftes Heft, Kiel 1894, S. 14.ff.
  38. Volbehr ebd, S. 5 ff.; Geschichte der Stiftung Kieler Stadtkloster, abgerufen am 3. Juli 2019
  39. Christian Degn, Schleswig-Holstein ‘‘eine Landesgeschichte‘‘, Wachholtz Verlag Neumünster 2. Auflage 1995. S. 116
  40. Das Folgende bezieht sich vorrangig auf Volbehr ebd, S. 5 ff.. Siehe auch Dr. Christian Kuß, XV. Neue Miscellen (Fortsetzeung), 20. Amt Kiel in: Dr, Nicolaus Falck, Neues staatsbürgerliches Magazin mit besonderer Rücksicht auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Band 6, Schleswig 1837, gedruckt und verlegt im Königlichen Taubstummen-Institut, S. 667 ff. (books.googel.de)
  41. Wikipedia: „Adam Tratziger“
  42. Volbehr ebd., S. 19
  43. von Schröder ebd., Erster Theil, S.268
  44. Volbehr ebd.,S. 19 ff.
  45. Geschichte der Stiftung Kieler Stadtkloster, abgerufen am 3. Juli 2019